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Die Attraktivität der Metropole Berlin (6. Juli 2006)

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Es ist Sommer, und an so einem Abend auf einem großstädtischen Platz zu sitzen, den man selbst geschaffen hat, unter den eigenen hohen Kolonnaden, ist ein rares Vergnügen. Sein Architekt Hans Kollhoff ist von seinem Büro am nahen Kurfürstendamm herübergeschlendert, um beim Italiener seine Lieblingspasta zu ordern, die mit Spargel, und von den Kolonnaden aus das Treiben der Anwohner und ihrer Kinder zu betrachten, die sich bis in die Nacht hier tummeln. Mal nachschauen, wie es seiner Piazza so geht. Er hat sie in langjährigem Ringen gegen die Grünen durchgesetzt, die hier alles grün haben wollten, was sonst?

Kollhoff ist einer der Architekten, die das neue Berlin geprägt haben. Im Streit darum, wie es aussehen solle, vertritt er eine feste Position: die Stadt der Häuser; das steinerne Haus in steinerner Stadt – als Adresse unter Adressen. Nicht lauter bunte, beziehungslose Kunstwerke egomanischer Architekten. Es ist das Plädoyer für eine Kleiderordnung. Im Grunde eine moralische Position, denn die ästhetische Regel macht Gesellschaft erst möglich.

Wollte man sich seine ideale Stadt figürlich vorstellen, es wäre eine Gesellschaft in Anzug und Abendkleid, und wer sich unterscheiden wollte, täte es, indem sie oder er besonders gut sitzende Kleider trüge. Nicht etwa dadurch, dass man sich piercte und tätowierte. Sein Berliner Wahrzeichen ist der hochelegant aufragende, dunkelrote Kopfbau am Potsdamer Platz – backsteingotische Antithese des gläsernen Sony-Hochhauses vis-à-vis.

Und dann sagt Hans Kollhoff auf die Frage, ob er eine Chance für Berlin sehe:

»Ja. Las Vegas.«

Am ehesten habe Berlin Chancen, wenn es werde wie die Spielerstadt in Nevada. »Es liegt in der Pampa wie Las Vegas in der Wüste. Dieses Artifizielle muss man unterstützen.«

Aber ist die totale Künstlichkeit von Las Vegas nicht das gerade Gegenteil einer konservativen Idee wie der von der steinernen Stadt?

»Was man seit hundert Jahren beklagt«, sagt Kollhoff, »dass Berlin nicht die Substanz von London hat, das ist doch der Vorteil. Bildungslabor und Vergnügungsort, diese Mischung hat etwas ungeheuer Zeitgenössisches. Kreativität plus billige Mieten. Ich bin viel in Italien. Die Italiener sind ganz wild auf Berlin.«

Für ihn liegen die Prioritäten auf der Hand: »Festspiele ausbauen. Ein Opernfestival, warum nicht? Kein Opernhaus schließen, das ist doch das Pfund, das wir haben. Und die Spielbank stärken – eine richtig große nach Berlin. Ich weiß, es gibt ein föderalistisches Problem, wenn ich das sage, dann rebelliert Baden-Baden.« Aber die Hauptstadt sei ausgeschlachtet worden nach dem Krieg. »Der föderalistische Erfolg der Bundesrepublik ging auf Kosten Berlins.« Regierung, Banken, Industrie – alles flüchtete westwärts. Bonn, Frankfurt, München, Stuttgart teilten das Fell des Berliner Bären und legten so den Grund neuen Reichtums.

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