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Die Attraktivität der Metropole Berlin (6. Juli 2006)

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Was aber darf man aus diesem globalen Run auf Berlin schließen? Ist er die Morgenröte eines bevorstehenden Berliner Aufschwungs oder bloß ein Irrtum des dummen Kapitals – es rennt halt immer dahin, wo die Preise am tiefsten sind, und wundert sich hinterher, dass der Gewinn ausbleibt?

»Eigentlich«, sagt Forstner, »würde man die Finger von Berlin lassen. Eigentlich sollte man denken: Investor, sei vorsichtig! Wer soll die Mieten zahlen, die du brauchst, um Gewinn zu machen? Berlins Kaufkraft ist schwach, seine demografische Kurve sinkt, und die vielen Graffiti schrecken zusätzlich ab. In Hamburg ist alles picobello, da laufen Citypfleger herum und picken jeden Schnipsel auf.«

Eigentlich. Aber? »Aber der Berlin-Tourismus boomt. Die Berliner Hotellerie boomt, sie hat die größten Zuwächse in Europa.« Es werden sogar noch mehr Luxushotels gebaut, das Hotel de Rome beim Gendarmenmarkt zum Beispiel. Der Sog also, der Mythos, der Hype: Wir fahren nach Berlin! Ist es das? Funktionieren auch Investoren so?

Was soll ein ehrlicher Makler dazu sagen, er ist kein Prophet. »Berlin«, sagt Forstner, »hat nach wie vor etwas Ambivalentes. Ich denke, es dauert noch einmal zehn Jahre, bis das Gesicht des neuen Berlin erkennbar wird. Aber es ist klar, Investoren, die jetzt hingehen, schauen auf etwas anderes als auf die nackte Analyse der Lage.«

Etwas anderes. So ähnlich haben es Ettina und Sonja auch genannt. So gesehen, sind Investoren und Subkultur Brüder im Geiste der Berliner Utopie. Es lässt sich billig einkaufen in der Berliner Ambivalenz, wenn man Millionen hat – und genauso nett darin schaukeln, wenn man jung ist und illiquid, aber voller Ideen. Läden wie Klonk gibt es viele. Wer es ganz billig will und das Risiko kurzfristiger Kündigung nicht scheut, wählt einen Zwischennutzungsvertrag in einem unsanierten Platten- oder Altbau in Friedrichshain, Prenzlauer Berg und allmählich auch im Wedding. Die Tete der jungen Kreativen zieht von Viertel zu Viertel, von Straße zu Straße, und der Tross der Makler und Investoren folgt ihr auf dem Fuße und vermietet die sanierten Lagen an Geschäftstüchtigere: Kanzleien, Galerien, indische oder Thai-Restaurants. So war es in New York in den achtziger Jahren auch.

Armut als Standortvorteil also. Billig plus Mythos. Der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit drückt es etwas partymäßiger aus: »Arm, aber sexy« hieß sein Vorschlag für die Identität des neuen Berlin in der Glamour-Zeitschrift Gala. Ist das die Kapitulationserklärung einer Stadt, die einmal Metropole war? Vielleicht ist es einfach die Berliner Art, in der Realität anzukommen. Jedenfalls ist daran abzulesen, wie sehr Berlin sich gerade wandelt.

Erstens, Armut schändet nicht mehr. Berlin schämt sich nicht mehr dafür. Es trägt seine monetäre Minderbemitteltheit wie einen Nylonnerz.

Zweitens, die Zeit der Phrasen ist vorbei. Die Parolen der Berlin-Propaganda der neunziger Jahre – Brücke zwischen Ost und West, bald vier, fünf, sechs Millionen Einwohner – sind verrauscht. Berlin ist, was es ist. Nur, was ist es?

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