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Die Kindheit und Jugend eines preußischen Adligen im späten 18. Jahrhundert. Aus den Erinnerungen Friedrich August Ludwigs von der Marwitz (Rückblick)

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Vom Eintritt ins Heer bis zum Tode Friedrich Wilhelms II. (1790–97)

Es war weder mir noch meinen Eltern jemals eingefallen, daß ich etwas anderes in der Welt werden könne, denn Soldat. Beinahe alle meine Vorfahren und Seitenverwandte waren es gewesen, und so wurde gar nicht darüber deliberiert, ob ich diesen oder einen anderen Stand ergreifen solle, und ebenso entschieden wurde angenommen, daß es nur im Regiment Gensdarmes sein könne. Seit etwa hundertundvierzig Jahren, daß es (damals) eine brandenburgisch-preußische Militärmacht gab, hatte unsere Familie dem Vaterlande einige hundert Offiziere, und unter diesen sieben Generale gegeben. Es war vom Schicksal beschlossen, daß ich der achte werden sollte. Nur wenige Familien haben dem Vaterlande mehr solcher Kriegsanführer geliefert [ . . . ]

Ich trat also am 2. Januar 1790 in das Regiment Gensdarmes ein, in welchem meine beiden Oheime gedient, und welches sie kommandiert hatten, das heißt, ich wurde in selbiges eingeschrieben, und da ich noch zu jung und schwach war, vorläufig vom Dienste dispensiert. [ . . . ]

Ungefähr ein Vierteljahr früher hatte ich angefangen, reiten zu lernen. Mein Vater hatte den Grundsatz, man müsse alle körperlichen Übungen gleich ordentlich erlernen, um keine üblen Gewohnheiten darin anzunehmen. Deshalb wurde ich auf die königliche Bahn zu dem damals berühmten Stallmeister Ploen geschickt. Weil ich aber noch nicht die geringste Übung hatte und selbst für mein Alter sehr klein war, so ward es mir sehr sauer, und ich lernte nicht viel.

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Ich legte nun die Montierung an und begann meinen wirklichen Dienst mit Anfang des Jahres 1791. – [ . . . ] Ich war sehr klein und schwach und noch ein sehr schlechter Reiter. Wie die Exerzierzeit Ende März losging, wurde es mir unmäßig sauer. Da zu jener Zeit alles Exerzieren mit der frühesten Morgenstunde begann, so mußte ich gewöhnlich schon um halb drei Uhr morgens im Stall zum Putzen sein. Ich mußte also um zwei Uhr von Hause weggehen, aus der Wilhelmstraße, um zur rechten Zeit im Stalle zu sein, im Akademiegebäude, am Ende der Linden. Um halb vier Uhr ging dann alles nach Hause, um sich anzukleiden, um halb fünf war man wieder im Stall zum Satteln, um fünf Uhr wurde ausgerückt, wenn das Regiment im Ganzen vor dem Halleschen Tore, auf dem Felde bei Tempelhof, exerzierte. Dahin war beinahe eine Stunde Marsch, ebensoviel zum Rückweg, und etwa zwei Stunden zum Exerzieren, so war man um neun Uhr zurück, und nachdem die Parole ausgegeben war, etwa um zehn Uhr zu Hause.

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In diesem Jahre, 1792, kam der zweite der drei Generale v. Goltz (damals Oberst), der Geschwisterkind mit meinem Vater war, von seiner Gesandtschaft in Paris zurück, wo die Revolution in vollem Gange war. Er war beinahe dreißig Jahre dort gewesen, und da mein Vater sein nächster Verwandter und beinahe einziger Bekannter im Vaterlande war, so war er beinahe täglich in unserem Hause. Er war ein sehr unterrichteter und gebildeter Mann, und wenngleich niemand von uns oder aus unserer Bekanntschaft jemals an dem dortigen Unsinn etwas zu Entschuldigendes oder gar zu Lobendes gefunden hatte, so wurden wir doch bei seiner genauen Kenntnis aller dortigen Verhältnisse, schon damals so vollkommen von den Ursachen und Triebfedern dieser heillosen Empörung des menschlichen Hochmutes gegen göttliche Ordnung und Recht, und von alle den Lügen, Verleumdungen und Umtrieben jener Empörer unterrichtet, wie es jetzt, nach so vielen Jahren, nur die wenigen sind, welche sich die Mühe gegeben haben, die wahre Geschichte der Revolutionen zu studieren, während die große Mehrzahl die Lügen der revolutionären Schriftsteller und sogar der Zeitungsschreiber für Wahrheit annimmt. Es konnte also nicht fehlen, daß wir einen gründlichen Abscheu vor jenen Missetätern bekamen [ . . . ]

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