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Die Kindheit und Jugend eines preußischen Adligen im späten 18. Jahrhundert. Aus den Erinnerungen Friedrich August Ludwigs von der Marwitz (Rückblick)

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Lehrjahre (1785–1790)

Mein Hofmeister, Herr Rosa, war ein rechtschaffener Mann, ein Freund der Ordnung, der an mir nichts Unrechtes litt und seine Lehrstunden gewissenhaft gab, übrigens aber ein Ignorant, von dem, nach jetzigen Begriffen, nichts zu lernen war. Mich allein lehrte er Lateinisch, in der Art, daß er mich die Deklinationen und Konjugationen auswendig lernen ließ und nachher mit Gedikens Lesebuch (damals etwas ganz Neues) hingab, damit ich es übersetzte, wobei ich die Vokabeln mir aufsuchen mußte [ . . . ] Wie wir den Gedike durchhatten, fingen wir den Eutrop an. Da waren sechs Jahre vorbei, ich trat ins Regiment, und die Sache hatte ein Ende. [ . . . ]

Religion, Geschichte und Geographie lernte ich von ihm mit meinen Schwestern gemeinschaftlich. In der Religion ließ er uns die Bibel lesen, das Neue Testament, die Psalmen, Sprüche Salomonis, Jesus Sirach, und die historischen Bücher stückweise. Er erklärte es recht vernünftig, und war dies die einzige Stunde, wo er wirklich von dem Seinigen etwas hinzutat. Ihm habe ich es zu danken, daß ich in der Bibel so gut Bescheid weiß und später zu einem so gründlichen Religions-Unterricht reif war. – In der Geschichte las er uns Schröckhs allgemeine Weltgeschichte vor, und wenn er hindurch war, was ungefähr alle Jahr geschah, so fing er wieder von vorn an. Wir sollten aufschreiben, was wir gehabt hatten, es war aber nicht möglich, alles zu Papier zu bringen, was aus einem schon so zusammengedrängten Werke beinahe täglich eine Stunde lang vorgelesen wurde. Dagegen repetierte er am Sonnabend, so daß wir erzählen mußten. [ . . . ] Ich gewann dadurch die Fähigkeit, aus dem Stegreife zusammenhängend zu reden und kannte den ganzen Abriß der Weltgeschichte auf das vollständigste. [ . . . ]

Etwa von meinem elften Jahre an hielt mein Vater mir einen Lehrer der Mathematik. Er hieß Lange und war ein Freund meines Hofmeisters, ihm im Wissen wenig überlegen. Seine Mathematik beschränkte sich auf Planzeichnen, auf das Zeichnen der mathematischen Figuren und Berechnung ihres Inhalts, ohne weitere Beweise, und damit Punktum! Er trug mir auch Fortifikation und Baukunst vor. Bei ersterer erfuhr ich die Benennung und den Zusammenhang aller Festungswerke, nach allen bekannten Systemen, und lernte sie zeichnen. Warum aber und zu welchem Nutzen sie so gebaut würden, davon kein Wort. Baukunst sollte ich lernen, damit ich in Zukunft bei ländlichen Bauten nicht betrogen würde. Der Herr Lange aber diktierte mir eine Art von wissenschaftlichem Abriß der Baukunst, wobei ich Grundrisse, Aufrisse und Profile von Häusern zeichnen, römischen Mörtel und die Säulenordnungen kennen lernte, von dem aber, was bezweckt wurde, nämlich einen Anschlag beurteilen zu lernen, und die Konstruktion sowie die Tragbarkeit der Hölzer, davon erfuhr ich nichts. Hiermit, und wie ich dreizehn Jahr alt war, war meine wissenschaftliche Erziehung zu Ende, denn alsdann trat ich in den Militärdienst. [ . . . ]

Wir hatten außerdem einen Tanzmeister, und da ich mit meinem Körper nicht ungeschickt war, so war ich in der Folge ein guter Tänzer. – Zu den Fechtstunden, die ich etwa von meinem zwölften Jahre an hatte, war ich noch zu schwach; [ . . . ]

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