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Das preußische „Oktoberedikt” von 1807, unterzeichnet von König Friedrich Wilhelm III. und Minister Karl Freiherr vom und zum Stein, unter anderem (9. Oktober 1807)

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§ 1. Jeder Einwohner Unsrer Staaten ist, ohne alle Einschränkung in Beziehung auf den Staat, zum eigenthümlichen und Pfandbesitz unbeweglicher Grundstücke aller Art berechtigt; der Edelmann also zum Besitz nicht blos adelicher, sondern auch unadelicher, bürgerlicher und bäuerlicher Güter aller Art, und der Bürger und Bauer zum Besitz nicht blos bürgerlicher, bäuerlicher und anderer unadelicher, sondern auch adelicher Grundstücke, ohne daß der eine oder der andere zu irgend einem Güter-Erwerb einer besondern Erlaubniß bedarf, wenn gleich, nach wie vor, jede Besitzveränderung den Behörden angezeigt werden muß. Alle Vorzüge, welche bei Güter-Erbschaften der adeliche vor dem bürgerlichen Erben hatte, und die bisher durch den persönlichen Stand des Besitzers begründete Einschränkung und Suspension gewisser gutsherrlichen Rechte, fallen gänzlich weg.

In Absicht der Erwerbsfähigkeit solcher Einwohner, welche den ganzen Umfang ihrer Bürgerpflichten zu erfüllen, durch Religions-Begriffe verhindert werden, hat es bei den besondern Gesetzen sein Verbleiben.

§ 2. Jeder Edelmann ist, ohne allen Nachtheil seines Standes, befugt, bürgerliche Gewerbe zu treiben; und jeder Bürger oder Bauer ist berechtigt, aus dem Bauer- in den Bürger- und aus dem Bürger- in den Bauerstand zu treten.

§ 3. Ein gesetzliches Vorkaufs- und Näher-Recht soll fernerhin nur bei Lehns-Ober-Eigenthümern, Erbzinsherrn, Erbverpächtern, Mit-Eigenthümern und da eintreten, wo eine mit andern Grundstücken vermischte oder von ihr umschlossene Besitzung veräußert wird.

§ 4. Die Besitzer an sich veräußerlicher Städtischer und Ländlicher Grundstücke und Güter aller Art, sind nach erfolgter Anzeige bei der Landes-Polizei-Behörde, unter Vorbehalt der Rechte der Real-Gläubiger und der Vorkaufs-Berechtigten (§ 3.), zur Trennung der Radikalien und Pertinenzien, so wie überhaupt zur theilweisen Veräußerung, also auch die Mit-Eigenthümer zur Theilung derselben unter sich, berechtiget.

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§ 6. Wenn ein Gutsbesitzer meint, die auf einem Gute vorhandenen einzelnen Bauerhöfe oder ländlichen Besitzungen, welche nicht erblich, Erbpacht- oder Erbzinsweise ausgethan sind, nicht wieder herstellen oder erhalten zu können, so ist er verpflichtet, sich deshalb bei der Kammer der Provinz zu melden, mit deren Zustimmung die Zusammenziehung, sowohl mehrerer Höfe in Eine bäuerliche Besitzung, als mit Vorwerks-Grundstücken gestattet werden soll, sobald auf dem Gute keine Erbunterthänigkeit mehr statt findet. Die einzelnen Kammern werden hierüber mit besonderer Instruktion versehen werden.

§ 7. Werden die Bauerhöfe aber erblich, Erbpacht- oder Erbzinsweise besessen, so muß, bevor von deren Einziehung oder einer Veränderung in Absicht der dazu gehörigen Grundstücke die Rede seyn kann, zuerst das Recht des bisherigen Besitzers, sey es durch Veräußerung desselben an die Gutsherrschaft, oder auf einem andern gesetzlichen Wege, erloschen seyn. In diesem Fall treten auch in Absicht solcher Güter die Bestimmungen des § 6. ein.

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