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Maria Theresias Politisches Testament (1749-50)

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Um aber wieder auf meine Vorfahren zurückzukommen, so haben selbige nicht allein die meiste Cameralgüter verschenket, sondern noch darzu von denen in Rebellionszeiten konfiszierten Gütern die Schulden auf sich genommen, die noch wirklich zum Last des Aerarii gereichen. Kaiser Leopoldus fande nicht mehr so viel zu verschenken, alleine die von ihme geführte schwere Kriege haben vermutlich verursachet, daß die noch übrigen Cameralgüter versetzt und verpfändet, auch solches durch die Nachfolger nicht erleichtert worden, dergestalten, daß die vorgefundene Cameralerträgnüsse kaum 80.000 Gulden erreichen, wie dann auch bei meinen Vorfahren die Ministri große Regalien vom Herrn selbst und denen Ländern erhalten, weilen selbte nicht allein der Milde, Gnad und österreichischen Munifizenz gar schmeichelhaft sich gewußt zu gebrauchen und solche hervorzustreichen, auch der Vorfahren hierdurch erworbenen Ruhm denen gegenwärtigen vorzustellen, sondern auch, indem selbige gemeiniglich das Ohr des Landesfürsten sambt der Geistlichkeit besessen, alles erhalten, was sie nur gewollt. Auch hat sich deren Kredit soweit erstrecket, daß sie in denen Ländern mehr geforchten und verehret worden als der Landesfürst selbsten. Und da endlich die landesfürstliche Mittel abgenommen, so haben sich derlei Ministri, umb sich remunerieren zu lassen zu denen Ländern gewendet, woraus sodann deren große Praepotenz erwachsen. Und da endlich die Klagen bis zu dem Landesfürsten gekommen, so ist jedoch ein solcher aus Gnad und Langmut noch einige Zeit zugelassen worden.

Und obwohlen die Gelegenheit zu verschenken größten Teils durch vorangezeigten Fürgang hinweggefallen, so wußten jedoch unter Josepho und Carolo sich die Ministri alle Gelegenheiten zu Nutz zu machen, um tunlichermaßen mittelst erhaltener Verschenk- und Versetzungen sich oder die Ihrige begnädigen.

Bei allen diesen Kaisern kunte es ohnmöglich sotanen Ministris an Ansehen und Credit gebrechen, weilen jeder Minister in dem ihme zugeteilten Departement werktätig den Souverain abgegeben. Derlei Ministri hatten fast durchgehends in allen Ländern die Stände zu ihrer freien Disposition, allermaßen jeder Ministre, so einem Lande vorstunde, gemeiniglich daselbst am stärkesten begütert, mithin im ständischen Gremio das stärkeste Ansehen und Credit hatte, eben darumben viele aus ihnen alljährlich von denen Ständen reichlich remunerieret wurden. Wollte nun der Landesfürst zur Unterhaltung seiner Armeen und zur Rettung des gemeinen Wesens die erforderliche Subsidia von denen Ländern erhalten, so mußte er notgedrungener denenjenigen Ministris, die allein vermögend waren, ihm solche beizuschaffen das anverlangte Gnädige und Gefällige erweisen.

Dieser Zufall nun erteilte denen Ministris einen solchen Credit, daß selbst der Landesfürst solchen zu unterstützen zu Behuf seines eigenen Interesse für nützlich erachtete, anerwogen ihnen Landesfürsten die Erfahrnüss lehrete, daß, wie stärker der bei selbigen erworbene Credit deren Landesvorsteher ware, je mehrer vermochten dieselbe mit denen ansinnenden Postulatis bei denen Ländern durchzudringen.

Die dem österreichischen Haus angeborene Milde und Gnad, welche nicht leichtlich gestattet, jemanden seines Dienstes zu entsetzen, wann er sich dessen nicht gänzlich unwürdig gemacht, stellete viel aus ihnen sicher, dem Landesfürsten und dessen Interesse selbst öfters in denen Ländern zu contracarieren, und eben darumen sie Ministri nach der angewohnten Autorität sich schmeichleten, als wann selbte nicht als bloße Ministri wie bei andern Höfen, sondern als Corregenten oder wenigstens als pares curiae anzusehen wären.

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