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Unterschiede zwischen Ost und West (12. November 1990)

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Die Sucht der so lange zu Trabis verdammten Autofans nach schnelleren und komfortableren West-Wagen ist einer der stärksten gesamtdeutschen Eindrücke dieses Jahres. Aber noch auf weite Sicht werden die Unterschiede in der Motorisierung groß bleiben. Im Westen haben drei von vier Haushalten ein Auto auf der Straße oder in der Garage stehen (genauer gesagt: mindestens ein Auto, denn zu jedem fünften Haushalt gehört ein Zweitwagen). Im Osten verfügt noch immer kaum mehr als jeder zweite Haushalt über einen Pkw.

Die Automobile sind überdies wesentlich älter und schwächer. Die Hälfte aller Wagen ist mindestens acht Jahre alt (im Westen ein Viertel). Im Westen haben nur 4 Prozent der privaten Pkw, im Osten 43 Prozent weniger als 45 Pferdestärken.

In ihrer Ausstattung sind die östlichen Haushalte gegenüber den westlichen noch weit zurück. Von den 16 Konsumgütern, die auf einer Emnid-Liste standen, gibt es nur wenige in etwa gleicher Zahl wie in westlichen Wohnungen: Fahrräder, Bohrmaschinen, Klaviere und Zweitfernseher. Aber die weite Verbreitung solcher TV-Geräte ist noch eine Folge der Planwirtschaft: Der staatliche Handel nahm keine Altgeräte in Zahlung, und so wanderten sie in Kinder- und Schlafzimmer.

Noch einige Zeit wird verstreichen, bis es den ehemaligen DDR-Bürgern so gut geht wie den anderen Deutschen in der alten BRD. Als die Befragten um eine Prognose gebeten wurden, wann dieses Ziel wohl erreicht werde, streuten die Antworten breit. Durchschnittszahl der im Westen Befragten: 9,4 Jahre, der im Osten Befragten: 7,3 Jahre.

Schwer wiegt, daß es in der Ex-DDR trotz Währungsunion und politischer Einheit bislang kaum wirtschaftliche Fortschritte, sondern fast nur Stillstand und Rückgang gab. Würden die West-Deutschen vom Berg ihres Wohlstandes hinabgeraten in ein dem heutigen Ostdeutschland ähnliches Tal der Schwierigkeiten, so wäre des Klagens und Maulens kein Ende. Wie Tag und Nacht unterscheidet sich die Situation in der Alt-BRD und in der Ex-DDR.

Die allgemeine wirtschaftliche Lage in ihrem Teil Deutschlands nennen 77 Prozent der West-Deutschen „sehr gut“ oder „gut“, hingegen 78 Prozent der Ost-Deutschen „schlecht“ oder „sehr schlecht“.

Ihren Arbeitsplatz halten im Westen 91 Prozent der Berufstätigen für sicher, im Osten 52 Prozent für unsicher.

Bei etwa gleichen Preisen haben dort 46, hier 11 Prozent der Familien ein Nettoeinkommen von weniger als 1500 Mark. Spitzenbezüge von mehr als 4000 Mark im Monat haben dort 1, hier 30 Prozent.

Dieser Kontrast wird kaum dadurch abgeschwächt, daß die Mieten in der Ex-DDR extrem niedrig sind: 86 Prozent der Befragten zahlen weniger als 100 Mark im Monat.

Obwohl die einen im Licht, die anderen im Schatten leben, stimmen sie in vielen, sogar in den meisten Meinungen überein – ganz gleich, ob die Interviewer allgemeine Themen nannten oder aktuelle Fragen stellten. Da wirkt kaum nach, daß die Deutschen vier Jahrzehnte lang in verschiedenen Systemen lebten und daß sie sich noch vor gut einem Jahr kaum kannten und nur über Bildschirme und Briefe sowie bei seltenen Besuchen voneinander erfuhren.

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