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Unterschiede zwischen Ost und West (12. November 1990)

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Politische Fragen überwogen, sie erstreckten sich von Hitler („Ohne Krieg ein großer Staatsmann?“) über die sogenannten Errungenschaften der DDR bis zu aktuellen Fragen, wie viele ehedem „volkseigene“ Betriebe wohl todgeweiht sind und wie mit der Stasi-Altlast verfahren werden soll.

Es ging auch um Sprachkenntnisse und Urlaubsziele, um Gott und die Weltmeinung über das womöglich nun allzu große und allzu mächtige Deutschland. Gefragt wurde, ob die Berufstätigen mit ihrer Arbeit zufrieden sind, wie die Familien ihre Freizeit verbringen und nach welchen Maximen sie leben.

Um ein Bild vom Alltagsleben zu gewinnen, kamen auch der Tagesablauf, Trinkgewohnheiten und Tabakkonsum zur Sprache.

Geraucht wird etwa gleich viel. In den DDR-Jahrzehnten hat die mindere Qualität des Tabaks die Zahl der östlichen Raucher nicht geringer werden lassen. Dem Alkohol sprechen West-Deutsche etwas häufiger zu als Ost-Deutsche.

Im Osten steht man früher auf und geht eher schlafen. Um 22.30 Uhr liegen an Werktagen drüben die meisten schon flach, während hüben eine knappe Mehrheit noch fernsieht, plaudert, liest oder döst. Der TV-Konsum ist nur ein wenig zeitversetzt, die Zahl der Fernsehstunden etwa gleich: Knapp drei Stunden sind es pro Werktag und Mann oder Frau.

Zu den Zielen der bis zum Beginn der Perestroika moskauhörigen DDR-Führung gehörte es, in ihrem Lande Russisch anstelle von Englisch als wichtigste Fremdsprache durchzusetzen. Fünf Generationen von Schülern empfanden dies als lästigen Zwang, und nur wenige lernten auch nur eine russische Vokabel mehr, als ihnen notwendig schien, um nicht aufzufallen.

Die Bilanz des Versuchs, einer Bevölkerung eine Fremdsprache aufzuzwingen, die sie partout nicht lernen wollte: Die Russisch- und die Englisch-Kenntnisse der ostdeutschen Bundesbürger sind etwa gleich.

Bis weit in ihre Freizeit hinein unterscheidet sich das Leben der einen und der anderen Deutschen.

Der Zeitvertreib, der wenig oder nichts kostet, ist hier wie dort gleich beliebt: das Fernsehen sowieso, auch die Lektüre von Zeitungen und Büchern, Besuche bei Freunden, die Arbeit im Garten.

Kinos und Discos sind im Osten etwa so stark besucht wie im Westen, obwohl sie nach der Währungsunion teurer geworden sind. Aber da scheint den Jüngeren das Vergnügen immer noch im rechten Verhältnis zum Preis zu stehen.

Deutlich höher ist der Anteil der West-Deutschen, die selbst Sport treiben, Theater oder Konzertsäle besuchen oder in Restaurants essen gehen. Der Staat drüben hat es einst versäumt, seinen Bürgern solche Möglichkeiten hinreichend zu eröffnen (im Sport kam es den SED-Greisen auf die Spitze, nicht auf die Masse an), und den meisten Ost-Deutschen ist all dies derzeit zu teuer. Wahrscheinlich kommt fast überall das eine zum anderen, mit der Folge, daß der Durchschnitts-Deutsche im Osten abends öfter zu Hause bleibt als der im Westen.

An Wochenenden und im Urlaub ist es anders. Die relativ wenigen Autos in der Ex-DDR sind noch mehr unterwegs als die vielen in der Alt-BRD.

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