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Analyse des amerikanischen Außenministeriums zur sowjetischen Berlin-Note (7. Januar 1959)

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Angesichts dieser Obstruktionspolitik im Verein mit der in Europa und Deutschland herrschenden Not und Hoffnungslosigkeit fühlte sich der amerikanische Außenminister James F. Byrnes veranlaßt, Zielsetzung und Politik der USA am 6. September 1946 in Stuttgart erneut klarzustellen. Mr. Byrnes erklärte, die amerikanische Politik habe sich stets an folgende Richtschnur gehalten: Niederringung Nazideutschlands bis zur Kapitulation; dann sicherstellen, daß Deutschland weder Ursachen und Konsequenzen des Aggressionskrieges mißdeutet, noch erneut einen solchen Krieg beginnt; Wiederbelebung derjenigen Kräfte in Deutschland, die die beste Garantie dafür bieten, daß Deutschland zu einem demokratischen Staat mit gemäßigter Politik wird; Wiedervereinigung des deutschen Volkes in einer Nation unter seiner eigenen Führung.

Wörtlich sagte Byrnes:
Obwohl wir darauf bestehen, daß Deutschland den Prinzipien des Friedens, der guten Nachbarschaft und der Humanität folgt, wollen wir doch nicht, daß Deutschland zum Satelliten irgendeiner Macht oder irgendwelcher Mächte wird, oder daß es unter einer aus- oder inländischen Diktatur lebt. Der Wunsch des amerikanischen Volkes ist es, daß die friedlichen, demokratischen Deutschen frei und unabhängig werden und es auch bleiben.

Dem Rat der Außenminister, der vom 25. November bis 15. Dezember 1947 in London tagte, gelang es nicht, ein Übereinkommen über die Probleme der deutschen Wiedervereinigung und die Errichtung einer Zentralregierung zu erzielen, mit der man Friedensvertragsverhandlungen hätte führen können. Hauptursache für den Mißerfolg des Außenministerrats waren die krassen und fundamentalen Divergenzen zwischen Sowjets und Westmächten in der Frage der wirtschaftlichen Sanierung Europas und Deutschlands in der Nachkriegszeit. Mit dem europäischen Wiederaufbauprogramm (Marshallplan) traten die USA entschieden für eine Sanierung der europäischen Völkergemeinschaft ein, damit diese aus gesunden Nationen mit starken Regierungen bestünde, die wahre Freiheit der Persönlichkeit gegenüber Terror und Tyrannei garantieren könnten. Obwohl das Hilfsangebot an ganz Europa und nicht nur an Westeuropa gerichtet war, verhielt sich die UdSSR der wirtschaftlichen Sanierung gegenüber abweisend. Sie zog offenbar den Fortbestand des durch die Verwüstungen des zweiten Weltkriegs in Europa entstandenen wirtschaftlichen und politischen Vakuums vor. Dementsprechend weigerte sich die Sowjetunion auch, am Europäischen Wiederaufbauprogramm teilzunehmen, und hielt andere Staaten wie die Tschechoslowakei und Polen von einer Beteiligung ab. Sie beschloß stattdessen, die Durchführung ihrer Pläne für die Spaltung und Schwächung Deutschlands weiter voranzutreiben. Ihre ersten Ziele bei dieser Offensive waren die Beseitigung der Positionen ihrer Alliierten in Berlin und die Isolierung der Bewohner Westberlins.

Die Sowjets verließen den Alliierten Kontrollrat für Deutschland am 20. März 1948 und gaben am 1. April Beschränkungen für den alliierten Straßen- und Bahnverkehr zwischen Berlin und den Westzonen bekannt. Die Alliierten richteten eine «kleine Luftbrücke» ein, die am 26. Juni 1948 – zwei Tage, nachdem die Sowjets eine totale Blockade verhängten – zu einer umfassenden Luftbrücke ausgebaut wurde. Am 10. Juni 1948 [sic! Im Original: 16. Juni 1948] verließen die Sowjets die Kommandantur (die alliierte Regierungsbehörde für Berlin), und am 1. Juli 1948 teilte der Stabschef der Sowjetvertretung in der Kommandantur seinen britischen, französischen und amerikanischen Kollegen mit, daß die Viermächte-Verwaltung für Berlin aufgehört habe zu existieren. Die Westmächte stellten sich auf den Standpunkt, daß eine durch ein Viermächte-Abkommen geschaffene Organisation nicht einseitig aufgelöst werden könne. Trotz seines Auszuges aus dem Alliierten Kontrollrat brachte Marschall Sokolovskij, das sowjetische Ratsmitglied, am 29. Juni 1948 in einem Schreiben an General Clay, den amerikanischen Militärgouverneur für Deutschland, eigenartigerweise eine ganz ähnliche Haltung zum Ausdruck. Bezugnehmend auf die informellen Londoner Gespräche vom 7. Juni 1948 zwischen Vertretern der drei Westmächte und der Benelux-Staaten über die Deutschlandfrage erklärte Marschall Sokolovskij:

Deshalb sind alle Deutschland betreffenden Entscheidungen, die von einer oder mehreren Besatzungsmächten in Deutschland ohne Teilnahme der Sowjetunion getroffen werden, rechtswidrig und entbehren der moralischen Autorität.

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