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Analyse des amerikanischen Außenministeriums zur sowjetischen Berlin-Note (7. Januar 1959)

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Die Darstellung des «Enzyklopädischen Wörterbuches» steht auch in diametralem Gegensatz zu den Ausführungen Aleksander A. Trojanovskijs, des ersten Sowjetbotschafters in den USA (1934–1939), in seinem Buch «Weshalb die Vereinigten Staaten gegen Hitlerdeutschland Krieg führen», erschienen 1942 in Moskau:

Die Vorstellung eines internationalen Kampfes gegen die Aggression war den Vereinigten Staaten nicht fremd. Der amerikanische Außenminister Stimson versuchte, ein kollektives Vorgehen gegen die Aggression im Zusammenhang mit den fernöstlichen Ereignissen von 1931–1932 zustande zu bringen [ . . . ] Präsident Roosevelt versäumte keine Gelegenheit, um für den Frieden einzutreten und gegen Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen Stellung zu beziehen. Einen Tag vor dem Abschluß des Münchner Abkommens vom 29. September 1938, das zu einer gewaltsamen Aufspaltung der Tschechoslowakei führte, regte der Präsident der Vereinigten Staaten in einer Botschaft an die Regierung der UdSSR an, unser friedliebendes Land möge bei den faschistischen Aggressoren seinen Einfluß geltend machen und sie zum Verzicht auf ihre [Politik der] «Gewaltanwendung» gegenüber der Tschechoslowakei veranlassen. (Seiten 56–57)

Die Zusammenarbeit zwischen Sowjets und Nazis geriet erst gegen Ende des Jahres 1940 ernstlich ins Stocken, als die Sowjets das deutsche Ansinnen, die Sowjetunion möge ihre Expansion nur in südlicher Richtung zum Indischen Ozean forcieren, zurückwiesen und vergeblich versuchten, die Deutschen zur Anerkennung der sowjetischen Hegemonieansprüche auf Finnland und Bulgarien und des Wunsches nach sowjetischen Stützpunkten an den türkischen Meerengen und im Gebiet südlich von Batum und Baku (im Mittleren Osten) zu bewegen. Aber trotz der bei diesen Verhandlungen in Erscheinung getretenen deutsch-sowjetischen Differenzen schloß die UdSSR im Januar 1941 erneut ein Wirtschaftsabkommen mit Deutschland, das eine weitere Steigerung der kriegswichtigen sowjetischen Rohstoffexporte nach Deutschland vorsah. Die Sowjetunion äußerte ihre Anerkennung für die nazideutsche Aggression durch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Jugoslawien im Jahre 1941, und sie brach, nachdem diese Länder von den Deutschen besetzt waren, auch die Beziehungen zu Griechenland, Norwegen und Belgien ab.

Im Gegensatz dazu stellten die USA und Großbritannien ihre Haltung gegenüber der Naziaggression klar, indem sie in ein Geschäftsverhältnis zu den Freien Franzosen traten und diplomatische Beziehungen zu den Exilregierungen anderer besetzter Länder unterhielten.

Im März 1941 unterrichteten die Vereinigten Staaten die UdSSR zweimal davon, daß Nazideutschland – ihren zuverlässigen Informationen zufolge – einen Angriff auf die Sowjetunion plane, und Premierminister Churchill ließ Stalin gegen Ende April eine gleichartige Warnung zukommen. Die UdSSR hatte jedoch damals gerade Hitler einen weiteren Solidaritätsbeweis gegeben, indem sie am 13. April 1941 einen Neutralitätsvertrag mit dem japanischen Partner der Achse Berlin-Rom-Tokio unterzeichnete und damit den Weg nach Pearl Harbor freimachte.

Erst als Hitler seinen sowjetischen Bundesgenossen im Juni 1941 angriff, bemühte sich die UdSSR um Zusammenarbeit mit dem Westen beim Widerstande gegen Nazideutschland. Ungeachtet der jahrelangen sowjetischen Kollaboration mit Hitler gingen die Westmächte unverzüglich auf die sowjetischen Beistandsgesuche ein. Schon einen Tag nach dem deutschen Überfall auf die UdSSR erklärte der amtierende Außenminister der Vereinigten Staaten öffentlich: «Jede Gegenwehr gegen den Hitlerismus, jede Sammlung der Kräfte des Widerstands gegen Hitler, gleichviel aus welcher Quelle diese Kräfte gespeist werden, wird den schließlichen Sturz der gegenwärtigen deutschen Führung beschleunigen und deshalb auch unserer eigenen Verteidigung und Sicherheit zugute kommen.» Keine sechs Monate später befanden sich die Vereinigten Staaten als Verbündete der Sowjetunion im Kampfe gegen Deutschland.

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