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Der Verein deutscher Studenten: Leipziger Studenten gedenken der ersten zehn Jahre (1881-1891)

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Seit 1889 trat in der Form der Reichskommerse eine Aenderung ein. Diese Feier war „Usus“ geworden. Auch andere Verbindungen wollten ihren Anteil an der Führung haben. So war das Vertreterkomitee auseinandergefallen, als die schlagenden Verbindungen auf Anregung der Landsmannschaften austraten. Die Zersplitterung in der Studentenschaft, die zu überbrücken wenigstens bei dem Hauptgedenktag des Deutschen Reiches dem V. D. St. bis zu einem gewissen Grade gelungen war, trat seitdem wieder schroff in Erscheinung. In diesem Jahre fanden zum ersten Male zwei Reichskommerse statt, einer vom Vertreter-Konvent der schlagenden Verbindungen und einer von dem Unikoloren-Verband (Paulus, Arion, Lausitzer Prediger-Gesellschaft) veranstaltet. Um eine noch größere Zerklüftung zu vermeiden, schloß sich der V. D. St. der Feier des Unikolorenverbandes an, mit dessen Verbindungen er auch sonst in freundschaftlichem Verkehre stand. Zur Feier des 90. Geburtstages Moltkes konnte er aber wieder die Studentenschaft zu einem allgemeinen Kommers am 28. Oktober 1890 vereinen, bei dem sich nur der V. C. ausschloß; die Leitung lag in den Händen von Vbr. iur. Rogge. Wie groß aber doch die Zersplitterung in der Studentenschaft wieder geworden war, zeigte das Jahr 1893, wo es 4 verschiedene studentische Reichskommerse gab; der V. D. St. beteiligte sich wieder am Unikoloren-Kommers. Als jedoch im nächsten Jahre der Unikoloren-Verband sich auflöste, feierte der V. D. St. 1894 den Reichskommers allein auf seiner eigenen Kneipe. Auf diesem Gebiete hatte er seine Aufgabe erfüllt. Reichskommerse sind seit den 90er Jahren allgemeine Erscheinungen geworden und geblieben und sind auch über die akademischen Kreise hinaus in anderen nationalfühlenden Verbänden zur Sitte geworden. Das Verdienst an der Erweckung der Pflege der damit verbundenen Ueberlieferungen gebührt dem K. V. der V. V. D. St.

Seit der Spaltung der einheitlichen studentischen Reichskommerse im Jahre 1889 bot sich dem V. D. St. durch die zufällige Nähe des Geburtstages des neuen Kaisers und des Geburtstages des Vereins die Gelegenheit, durch Verbindung beider Feiern seine Wirksamkeit nach außen in neuer Form, aber im alten Sinne, zu betätigen. Schon die erste derartige gemeinsame Feier im W.-S. 88/89 war ein glänzender Beginn. Vor 1000 Gästen, unter denen sich die Generalität mit dem Offizierkorps der Leipziger Garnison befand, sprach der gefeierte Rechtslehrer Prof. Sohm auf den Kaiser und Hofprediger Rogge auf Bismarck. Diese Vereinigung von Stiftungsfest mit Kaisergeburtstagsfeier und Reichsgründungsfeier ist stets eine bevorzugte Veranstaltung des V. D. St. und der jeweilige Höhepunkt der folgenden Semester bis zum Weltkriege geblieben. Von besonderer Festlichkeit war die Feier des 10jährigen Stiftungsfestes 1891 im Theatersaale des Krystallpalastes in Anwesenheit der Prinzen Johann Georg und Max von Sachsen, des Generals v. Holleben mit dem Offizierkorps, von Mitgliedern des Reichsgerichts, des Generalsuperintendenten usw., und wo Prof. Luthardt, Hofprediger Rogge und der Reichstagsabgeordnete Liebermann von Sonnenberg sprachen. Ein Festspiel von Pusch „Das Geheimnis des Kyffhäusers“ und eine gut gelungene Fuxenmimik umrahmten die Feier. Einmal, im W.-S. 91/92, verlegte man den Kaiserkommers nach außerhalb und feierte ihn gemeinsam mit dem Bruderverein Halle in Merseburg in Anwesenheit des Regierungspräsidenten von Diest und des dortigen Offizierkorps. Beim 25jährigen Jubiläum der Reichsgründung 1896 kam es auf Anregung des V. D. St. wieder einmal zu einem studentischen Reichskommers unter der Leitung des Prorektors, woran alle Korporationen teilnahmen und auf dem Vbr. cand. theol. Maurenbrecher die Bismarckrede hielt. Die Einigung blieb auch noch für das folgende Jahr, 1897, erhalten, mit Ausnahme der schlagenden Verbindungen, welche im letzten Augenblick wieder absprangen. Die Rede auf Kaiser, König und Reich hielt diesmal Vbr. theol. Schumann. Beim Tode Bismarcks regte der Vorsitzende des V. D. St. Leipzig, rer. nat. Fredenhagen, eine allgemeine Beteiligung der gesamten deutschen Studentenschaft bei der Beisetzung an. Kurz vorher hatte die Burschenschaft Alemannia in Bonn die gleiche Anregung gegeben, so daß die meisten Universitäten dem Ausschuß in Bonn den Vorzug vor dem Ausschuß in Leipzig gaben und jener dann die Beteiligung der Studentenschaft durchführte. Zu den Trauerfeierlichkeiten in Friedrichsruh entsandte die Leipziger Studentenschaft einen V. D. St.er (Fredenhagen) und einen Burschenschafter. Vorher, am 2. August 1898, hatte eine erhebende Trauerfeier der Leipziger Studentenschaft im Krystallpalast unter Leitung von Fredenhagen und mit Prof. Erich Marcks als Redner stattgefunden. Vbr. hist. Hoetzsch sprach das Gelübde, an Bismarcks Werke festzuhalten. Und „alle reichten sich die Hand, alt und jung, Student und Professor, und sangen das Deutschlandlied.“

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