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Hedwig Dohm, „Das Stimmrecht der Frauen” (1876)

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Was heißt das, ein Weib sein?

Das heißt eine andere körperliche Bildung besitzen als der Mann. Die Differenz der geistigen Vermögen der beiden Geschlechter ist vorläufig unbestimmbar, und die Männer, die Eigentümer der Schöpfung, täten wohl, noch ein wenig zurückzuhalten mit ihrer Exmissionsklage gegen die politischen Gedanken, die eine Frau in ihrem Gehirnlokal etwa einquartiert hat. Sie täten wohl, mit dieser Anklage zu warten, bis wissenschaftliche Begründung an die Stelle getreten ist jenes marktschreierischen Affichierens subjektiver Inspirationen als wissenschaftliche Wahrheit, jenes metaphysischen Alt-Philosophengeschwätzes, jener poetischen Aperçus und Traditionen der Phantasie, die noch immer an der Tagesordnung sind, wo es sich um Natur und Eigenart des Weibes handelt. Vorläufig müssen wir annehmen, daß ein Geschlecht, welches, wie Fourier hervorhebt, verhältnismäßig mehr große Königinnen aufzuweisen hat als Männer große Könige, des politischen Sinnes keineswegs bar ist.

Wollte man das Prinzip, daß eine verschiedene Körperbildung notwendig ein verschiedenes moralisches und geistiges Vermögen bedinge, gelten lassen, wo wäre da die Grenze zu ziehen? – Wir könnten ebensogut den Aberglauben akzeptieren, alle Buckligen hätten sich als von Gott Gezeichnete in das Dunkel des Privatlebens zurückzuziehen, alle Lahmen seien Verwandte Belzebubs, alle Rothaarigen Verräter und alle Schwarzen – Sklaven. – Und in der Tat, in finsteren Zeiten des Mittelalters hat man von physischen Besonderheiten auf moralische Beschaffenheiten geschlossen. Im frühen Mittelalter wurden in Frankreich Frauen, die Zwillinge gebaren, als des Ehebruchs überführt zum Tode verurteilt. Alte Weiber wurden haufenweise um rotgeränderter Augen willen als Hexen verbrannt.

Man hat behauptet: die Frau, welche Zwillinge zur Welt bringt, ist des Ehebruchs schuldig.

Man behauptet: die Frau, weil sie überhaupt Kinder zur Welt bringt, ist mit politischer Impotenz behaftet.

Das Gedankenprinzip in diesen beiden Vorstellungen ist dasselbe:

Einem physischen Vorgang wird willkürlich eine sittliche oder geistige Basis gegeben. Weil die Frauen Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben.

Ich behaupte: weil die Männer keine Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben, und ich finde die eine Behauptung mindestens ebenso tiefsinnig wie die andere.

Du hast keine politischen Rechte, weil du ein Weib bist!
Du hast keine politischen Rechte, weil du ein Jude bist!

hat die menschliche Gesellschaft Jahrhunderte den Juden zugerufen. Du hast keine politischen Rechte, weil du ein Sudra (Mann aus dem Volke) bist, dekretiert das indische Gesetzbuch, und so du dich um Politik bekümmerst, wirst du schwer bestraft.

Du hast keine politische Rechte, weil du schwarz bist und ein Neger, spricht der Sklavenhalter zu seinem Sklaven, und weil du schwarz bist, darum bist du mein Sklave und deine Kinder gehören mir und ich darf sie verkaufen.

Warum?
Weil du schwarz bist.

Was ist ein Neger? was ist ein Jude? was ist ein Weib? was ist ein Sudra?

Unterdrückte Menschen.
Unterdrückt von wem? – Von ihren Brüdern, die stärker sind als sie.

Kain und Abel!
Abel fiel als erstes Opfer im Kampf ums Dasein. – So stirbt vielleicht erst mit dem letzten Menschenpaar der letzte Kain, der letzte Abel? ...

Weil sie ein Weib ist. Das heißt, weil sie Mutter und Pflegerin des Kindes ist, und vor dieser heiligen Pflicht keine andere Tätigkeit bestehen kann.

Eine tiefsinnige Auffassung.

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