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Erinnerungen des Augenzeugen Götz Bergander an die Bombardierung Dresdens (Rückblick)

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Ich bin dann nach dem ersten Angriff sofort raus, weil auch unser Luftschutzwart rief: „Wir müssen Brandbomben suchen.“ Ich komme aus dem Keller raus, und es ist unvergeßlich: Der Nachthimmel ist rosa und rot beleuchtet, die davor stehenden Häuser sind schwarze Scherenschnitte und Kulissen, und über dem Ganzen wälzt sich in dem Abschnitt, den ich überblicken konnte, eine von unten her rot angeleuchtete Rauchwolke in der Luft. Ich habe dann diesen Hof verlassen, bin sofort auf das Dach der benachbarten Fabrik hinaufgestiegen, ging auf das Fabrikdach, und dann sah ich überhaupt erst, was los war, denn da hatte ich einen Blick auf die gesamte Stadt. Ich habe dann gesehen, daß die Stadt brannte von der Neustädter Seite. Da war eine chemische Fabrik, die übrigens, wie ich dann nach dem Krieg gesehen habe, extra als Giftgasfabrik in den englischen Unterlagen geführt wurde, was nicht stimmte, es war eine pharmazeutische Fabrik. Die Elbe konnte ich selbst nicht sehen, die lag etwas tiefer, und dann zog sich die brennende Fläche hin durch de ganze Innenstadt weit nach Osten und Süden. Dann sind wir in dieser Friedrichstraße, in der ich da wohnte, stadteinwärts gegangen, und es kamen Menschen aus der Stadt, völlig verstört, rußverschmiert und nasse Decken um den Kopf geschlungen, und wenn man die anhielt und sagte: „Wo kommen Sie her?“

„Ja, ich komme vom Postplatz, und ich komme vom Altmarkt, und ich komme aus der Annenstraße, und ich komme aus der Ringstraße, es brennt alles, die ganze Innenstadt.“

Von unserem Haus bis zum Beginn der Innenstadt sind es ungefähr fünfhundert Meter. Die waren wir dann gelaufen vielleicht tausend Meter oder zweitausend Meter. Durch die Flammen durch. Die kamen noch ganz gut raus, weil so ungefähr eine halbe Stunde bis eine Stunde nach dem Ende des ersten dieser beiden Nachtangriffe der Feuersturm sich noch nicht so entwickelt hatte. Also wir hörten immer: „Bei uns ist alles hin, alles brennt.“

Ich war vielleicht eine Stunde von zu Hause weggewesen, da bekam ich plötzlich unerklärliche Angst. Ich bin also wieder zurück in den Betrieb, und da standen jetzt viele Leute auf dem Hof herum, weil ja unser Haus erhalten war und dadurch auch etwas im Dunkeln lag, nur von der einen Seite von den Flammen beschienen war, und alles redete durcheinander. Dann rief irgend jemand: „Die kommen wieder, die kommen wieder!“

Und in diesem allgemeinen Durcheinander hörte ich dann tatsächlich wieder Alarmsirenen. Die Warnanlagen in der Stadt waren ausgefallen, aber die in den Dörfern ringsum, die hörte man. Und die kündigten den zweiten Angriff an. Da überfiel mich, und ich spreche sicher auch für die anderen aus unserer Familie oder aus dem Haus, wirkliche eine panische Angst. Wir haben gedacht, das kann doch nicht möglich sein. Das werden die doch nicht machen. Die werden doch jetzt nicht auf diese hell erleuchtete Stadt Bomben werfen, jetzt liegen wir ja wie auf dem Präsentierteller. Wir sind also in den Keller gegangen. Dann ging der zweite Angriff los, der sich genauso abspielte wie der erste.

Ja, dieser Angriff hinterließ – es kam auch die Übermüdung hinzu und die Anspannung – ein Gefühl völliger Ratlosigkeit, großer Furcht. Es gingen keine Sprengbomben in unmittelbarer Nähe nieder. Das Klatschen von Brandbomben hörten wir auch nicht. Wir haben also, als das Bombergedröhn zu Ende war, vielleicht noch fünf Minuten im Keller gewartet und sind dann rausgegangen. Das war allerdings nun überhaupt nicht mehr zu vergleichen mit dem, was man nach dem ersten Angriff gesehen hatte.

Ich bin wieder auf das Dach raufgestiegen, auf das Fabrikdach. Aber der Sog der Luft stadteinwärts, der dann in der Stadt den Feuersturm erzeugte, war bei uns, ungefähr 500 bis 1.000 Meter vom Feuersturm entfernt, noch so stark, daß ich von dem Dach gleich wieder runtergegangen bin. Es war ein unbeschreibliches Getöse in der Luft, nur vom Feuer, ein Donnern. Ich war fassungslos, wie ich diese Stadt verbrennen sah. Die Farbe des Feuers hatte sich auch geändert, sie war nicht mehr rosa und rot, sondern von einem wütenden Weiß und Gelb, und der Himmel, von dem sah man überhaupt nichts mehr. Es war nur noch ein einziges riesiges Wolkengebirge und dann dieses Dröhnen des Feuers und vereinzelt dazwischen immer noch Detonationen von Zeitzündern oder von Bomben, die vom Feuer erfaßt wurden.

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