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Aufruf gegen den Bau einer chemischen Fabrik im Ruhrgebiet (um 1874)

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In ihrem Conzessions-Gesuche sagt die Rheinau, daß sich in kürzerer Entfernung von der in Horst projectirten Fabrik nur ein Gebäude befinden werde. Ganz abgesehen davon, daß kurze oder weite Entfernung ganz relative Begriffe sind, – die schädlichen Gase ziehen sich bekanntlich unter Umständen über 2000 m weit – liegen in einem Umkreise von nur 500 m von dem in Aussicht genommenen Fabrikgrundstücke mindestens 20 bis 30 Wohngebäude und liegt außerdem kaum 400 m von demselben Grundstücke entfernt in der dort vorherrschenden Windrichtung die Arbeiter-Colonie von Neuschottland mit ungefähr 50 Wohnungen nebst Gärten und etwa 400 Einwohnern. Soll man den Arbeitern, die schon in ihren Arbeitsstunden theilweise schlechte Luft einathmen müssen, auch noch die Luft für ihre Erholungstunden verpesten? Der Bürgermeister von Seckenheim – woselbst, wie bereits erwähnt, die Fabrik Rheinau jetzt liegt – erklärt auf eine diesbezügliche Anfrage ganz offen, daß eine Fabrik wie die Rheinau nicht dahin gehöre, wo sich Äcker und Gärten befinden, sondern in eine Haide, wo nichts wächst; zudem könne die Fabrik bei dem jetzigen Armen- resp. Freizügigkeits-Gesetz der Gemeinde nur zum Nachteile gereichen, wegen der sehr ungesunden Beschäftigung der Arbeiter, die leider dem ziemlich hohen Lohne zuliebe ihre Gesundheit auf Kosten des späteren Armen-Etats zum Opfer bringen.

Von ärztlicher Seite wird unter Anderem hervorgehoben, daß die Säure-Dämpfe einen sehr lästigen und nachtheiligen Einfluß auf die Athmungsorgane ausüben. Nach den Gesetzen der Wissenschaft ist jede fremdartige Beimischung der Luft, besonders aber die Beimischung von scharfen, die Schleimhäute reizenden Substanzen schädlich und der Gesundheit nachtheilig. Ebenso wirken die in den Sodaschlamm sich entwickelnden Schwefelwasserstoffgase sehr belästigend und schädlich auf die Gesundheit der nächsten Umgebung, zumal wenn die Anschüttung der Abfälle (des sogenannten Sodaschlammes) in hohen Haufen erfolgt. [ . . . ] Die chemischen Untersuchungen des Abwassers, welches sich bei der Sodafabrication in mehreren Fällen ergeben, weisen an Bestandtheilen: Salzsäure, Eisenoxyd, Mangan und Schwefelsäure auf, Stoffe, welche geeignet sind, auf das Trinkwasser die nachtheiligste Wirkung zu üben. Sollten nun die bereits erwähnten Senkgruben auf dem angekauften und zum Bau der Fabrik bestimmten Terrain, welches als Unterboden hohe Kieslager hat, wirklich angelegt und benutzt werden, wer wird dann wohl bei der hohen Lage des betreffenden Grundstückes und der Beschaffenheit des Bodens darüber im Zweifel sein können, daß das gifthaltige Wasser trotzdem durch den Kies hindurch in die umliegenden Brunnen und namentlich in die nahe gelegene Ruhr gelangt, wodurch das Trinkwasser für mehrere Wasserleitungen, also für Tausende von Menschen verdorben werden würde.

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