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Henrik Ibsens „Ballonbrief” bringt die Furcht vor dem deutschen Militarismus zum Ausdruck (Dezember 1870)

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Und nun die Germanenschar,
Wie sie Sturm läuft auf Paris!
Wer steht klar in der Gefahr?
Wem gebührt der Kranz? Wer wies
Uns den Zauber der Person,
Daß ihn Millionen Munde
Jubelnd im Gesang verklärten? –
Regiment und Eskadron,
Stab (mit anderm Wort Spion),
Haufen losgelassner Hunde,
Sind dem Wild auf seinen Fährten.

[ . . . ]

Und des Tages Männer dann,
Diese Fritze, Blumenthale,
Diese Herren Generale,
Wie sie heißen, Mann für Mann!
Unter Preußens Todesfarben,
Dem schwarzweißen Trauerflor,
Bricht aus rauher Taten Larven
Kein Liedschmetterling hervor.
Seide wird vielleicht gesponnen,
Doch kein Falter fliegt sich sonnen.
Just der Sieg birgt den Verlust.
Preußens Schwert wird Preußens Rute.
Niemals hebt sich eine Brust
Einem Rechenstück zugute.
Nichts mehr bleibt im Lied zu sagen,
Seit ein Volksaufstand, beflügelt
Von erhabnem Wagemute,
Ward zur Stabsmaschinerie
Kleingetüftelt, kleingekügelt, –
Seit v. Moltkes Hand erschlagen
Jede Kampfespoesie.

So dämonisch ist die Macht,
Die den Weltlauf kam zu lenken:
Sphinx, auf ihrer Weisheit Wacht,
Stirbt an ihrem eignen Denken.

Jeder Sieg der Ziffer rächt sich,
Nur zu bald wird dies Geschlecht sich,
Jähem Gegenwind erlegen,
Nicht mehr rühren, nicht mehr regen.

[ . . . ]



Quelle: Henrik Ibsen, „Ballonbrief an eine schwedische Dame“, übersetzt von Christian Morgenstern, in Henrik Ibsen, Sämtliche Werke, herausgegeben von Julius Elias und Paul Schlenther. Berlin: S. Fischer Verlag, 1921, S. 80-93.

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