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Bismarcks Rede im Norddeutschen Reichstag zur Verteidigung seines Verfassungsentwurfs (11. März 1867)

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Ich habe, als hier vorgestern dasselbe Recht für den Preußischen Landtag in Anspruch genommen wurde, in der ganzen Versammlung keinen Ausruf des Erstaunens gehört, außer dem, den ich in meinem Innern unterdrückte. Ich glaube, meine Herren, Diejenigen, die dieses Wort aussprachen, unterschätzen denn doch den Ernst der Situation, in der wir uns befinden. Glauben Sie wirklich, daß die großartige Bewegung, die im vorigen Jahre die Völker vom Rhein bis an den Pruth und den Dnjestr zum Kampf führte, zu dem eisernen Würfelspiel, in dem um Königs- und Kaiserkronen gespielt wurde, — daß die Millionen deutscher Krieger, die gegen einander gekämpft und geblutet haben auf den Schlachtfeldern vom Rhein bis zu den Karpathen, — daß die Tausende und aber Tausende von Gebliebenen und der Seuche Erlegenen, die durch ihren Tod diese nationale Entscheidung besiegelt haben, mit einer Landtagsresolution ad acta geschrieben werden können,

(Bravo!)

meine Herren, dann stehen Sie wirklich nicht auf der Höhe der Situation!

Es liegt mir fern, irgend eine Drohung auszusprechen, ich achte die Rechte unseres Landtages ebenso, wie ich sie von Hause aus gern geachtet hätte, wenn es mit dem Bestande des Preußischen Staates nach meiner Ueberzeugung verträglich gewesen wäre; aber ich habe die sichere Ueberzeugung, kein deutscher Landtag wird einen solchen Beschluß fassen, wenn wir uns hier einigen.

(Bravo!)

Ich möchte die Herren, die sich diese Möglichkeiten denken, wohl sehen, wie sie etwa einem Invaliden von Königgrätz antworten würden, wenn der nach dem Ergebnisse dieser gewaltigen Anstrengung fragt. Sie würden ihm etwa sagen: Ja freilich, mit der Deutschen Einheit ist es wiederum nichts geworden, die wird sich wohl bei Gelegenheit finden, sie ist ja leicht zu haben, eine Verständigung ist ja alle Tage wieder möglich; aber wir haben das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses, des Preußischen Landtages gerettet, das Recht, jedes Jahr die Existenz der Preußischen Armee in Frage zu stellen,

(Unruhe links)

ein Recht, von dem wir als gute Patrioten niemals Gebrauch machen würden, und sollte je eine Versammlung jemals so weit auf Abwege gerathen, die es wirklich wollte, so würden wir den Minister als Landesverräther zur Verantwortung ziehen, welcher sich zur Ausführung hergiebt. Aber es ist doch unser Recht; darum haben wir um die Mauern von Preßburg mit dem Kaiser von Oesterreich gerungen und damit soll der Invalide sich trösten über den Verlust seiner Glieder, damit die Wittwe, die ihren Mann begraben hat?

Meine Herren, es ist wirklich eine vollständig unmögliche Situation, die Sie sich da machen. Ich wende mich gern von diesen phantastischen Unmöglichkeiten in das reale Gebiet zurück zu einigen Einwendungen, die hier gegen den Inhalt der Verfassung gemacht worden sind. Es ist — ich weiß nicht, ob in der Thronrede der Ausdruck stehen geblieben ist — schon gesagt, daß wir das Werk der Verbesserung fähig halten. Ich darf wenigstens hier bezeugen, daß wir für keinen Vorschlag, der wirklich mit der Erleichterung des Zustandekommens und der Verbesserung des Werkes ernstlich gemeint ist, unempfänglich sind.

(Bravo!)

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