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Theodor Fontane beschreibt eine konservative Wahlkampagne im ländlichen Brandenburg (1880er Jahre)

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Das Offizielle war hierdurch erledigt, und eine gewisse Fidelitas, an der es übrigens von Anfang an nicht gefehlt hatte, konnte jetzt nachhaltiger in ihr Recht treten. Allerdings war noch immer ein wichtiger und zugleich schwieriger Toast in Sicht, der, der sich mit Dubslav und dem unglücklichen Wahlauspange zu beschäftigen hatte. Wer sollte den ausbringen? Man hing dieser Frage mit einiger Sorge nach und war eigentlich froh, als es mit einem Male hieß, Gundermann werde sprechen.

[ . . . ]

»Meine Herren. Als ich vor soundso viel Jahren in Berlin studierte« (»Nanu.«), »als ich vor Jahren in Berlin studierte, war da mal 'ne Hinrichtung,..«

»Alle Wetter, der setzt gut ein.«

»...war da mal 'ne Hinrichtung, weil eine dicke Klempnermadam, nachdem sie sich in ihren Lehrburschen verliebt, ihren Mann, einen würdigen Klempnermeister, vergiftet hatte. Und der Bengel war erst siebzehn. Ja, meine Herren, soviel muß ich sagen, es kamen damals auch schon dolle Geschichten vor. Und ich, weil ich den Gefängnisdirektor kannte, ich hatte Zutritt zu der Hinrichtung, und um mich rum standen lauter Assessoren und Referendare, ganz junge Herren, die meisten mit 'nem Kneifer. Kneifer gab es damals auch schon. Und nun kam die Witwe, wenn man sie so nennen darf, und sah soweit ganz behäbig und beinahe füllig aus, weil sie, was damals viel besprochen wurde, 'nen Kropf hatte, weshalb auch der Block ganz besonders hatte hergerichtet werden müssen. Sozusagen mit 'nem Ausschnitt.«

»Mit 'nem Ausschnitt ...; gut, Gundermann.«

»Und als sie nun, ich meine die Delinquentin, all die jungen Referendare sah, wobei ihr wohl ihr Lehrling einfallen mochte...«

»Keine Verspottung unsrer Referendare...«

»... Wobei ihr vielleicht ihr Lehrling einfallen mochte, da trat sie ganz nahe an den Schafottrand heran und nickte uns zu (ich sage 'uns', weil sie mich auch ansah) und sagte: 'Ja, ja, meine jungen Herrens, dat kommt davon ...' Und sehen Sie, meine Herren, dieses* Wort, wenn auch von einer Delinquentin herrührend, bin ich seitdem nicht wieder losgeworden, und wenn ich so was erlebe wie heute, dann muß einem solch Wort auch immer wieder in Erinnerung kommen, und ich sage dann auch, ganz wie die Alte damals sagte: 'Ja, meine Herren, dat kommt davon.' Und wovon kommt es? Von den Sozialdemokraten. Und wovon kommen die Sozialdemokraten?«

»Vom Fortschritt. Alte Geschichte, kennen wir. Was Neues!«

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