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Das Sozialistengesetz (21. Oktober 1878)

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§ 21. Wer ohne Kenntniß, jedoch nach erfolgter Bekanntmachung des Verbots durch den Reichsanzeiger (§§ 6, 12) eine der in den §§ 17, 18, 19 verbotenen Handlungen begeht, ist mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft zu bestrafen.

Gleiche Strafe trifft den, welcher nach erfolgter Bekanntmachung des Verbots einem nach § 16 erlassenen Verbote zuwiderhandelt. Die Schlußbestimmung des § 20 findet Anwendung.

§ 22. Gegen Personen, welche sich die Agitation für die im § 1 Abs. 2 bezeichneten Bestrebungen zum Geschäfte machen, kann im Falle einer Verurtheilung wegen Zuwiderhandlungen gegen die §§ 17 bis 20 neben der Freiheitsstrafe auf die Zulässigkeit der Einschränkung ihres Aufenthaltes erkannt werden.

Auf Grund dieses Erkenntnisses kann dem Verurtheilten der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Ortschaften durch die Landespolizeibehörde versagt werden, jedoch in seinem Wohnsitze nur dann, wenn er denselben nicht bereits seit sechs Monaten inne hat. Ausländer können von der Landespolizeibehörde aus dem Bundesgebiete ausgewiesen werden. Die Beschwerde findet nur an die Aufsichtsbehörden statt.

Zuwiderhandlungen werden mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre bestraft.

§ 23. Unter den im § 22 Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen kann gegen Gastwirthe, Schankwirthe, mit Branntwein oder Spiritus Kleinhandel treibende Personen, Buchdrucker, Buchhändler, Leihbibliothekare und Inhaber von Lesekabineten neben der Freiheitsstrafe auf Untersagung ihres Gewerbebetriebes erkannt werden.

§ 24. Personen, welche es sich zum Geschäft machen, die im § 1 Abs. 2 bezeichneten Bestrebungen zu fördern, oder welche auf Grund einer Bestimmung dieses Gesetzes rechtskräftig zu einer Strafe verurtheilt worden sind, kann von der Landespolizeibehörde die Befugniß zur gewerbsmäßigen oder nicht gewerbsmäßigen öffentlichen Verbreitung von Druckschriften, sowie die Befugniß zum Handel mit Druckschriften im Umherziehen entzogen werden.

Die Beschwerde findet nur an die Aufsichtsbehörden statt.

§ 25. Wer einem auf Grund des § 23 ergangenen Urtheil oder einer auf Grund des § 24 erlassenen Verfügung zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.

§ 26. Zur Entscheidung der in den Fällen der §§ 8, 13 erhobenen Beschwerden wird eine Kommission gebildet. Der Bundesrath wählt vier Mitglieder aus seiner Mitte und fünf aus den Mitgliedern der höchsten Gerichte des Reichs oder der einzelnen Bundesstaaten.

Die Wahl dieser fünf Mitglieder erfolgt für die Zeit der Dauer dieses Gesetzes und für die Dauer ihres Verbleibens im richerlichen Amte.

Der Kaiser ernennt den Vorsitzenden und aus der Zahl der Mitglieder der Kommission dessen Stellvertreter.

§ 27. Die Kommission entscheidet in der Besetzung von fünf Mitgliedern, von denen mindestens drei zu den richterlichen Mitgliedern gehören müssen. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist den Betheiligten Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Begründung ihrer Anträge zu geben. Die Kommission ist befugt, Beweis in vollem Umfange, insbesondere durch eidliche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, zu erheben oder mittelst Ersuchens einer Behörde des Reichs oder eines Bundesstaats erheben zu lassen. Hinsichtlich der Verpflichtung, sich als Zeuge oder Sachverständiger vernehmen zu lassen, sowie hinsichtlich der im Falle des Ungehorsams zu verhängenden Strafen kommen die Bestimmungen der am Sitze der Kommission beziehungsweise der ersuchten Behörde geltenden bürgerlichen Prozeßgesetze zur Anwendung. Die Entscheidungen erfolgen nach freiem Ermessen und sind endgültig.

Im übrigen wird der Geschäftsgang bei der Kommission durch ein von derselben zu entwerfendes Regulativ geordnet, welches der Bestätigung des Bundesraths unterliegt.

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