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Bericht der Auschwitzflüchtlinge Alfred Wetzler und Rudolf Vrba (Ende April 1944)

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Sehr schwer und für uns gefährlich war allabendlich die Rückkehr aus der Arbeit. Wir mussten unsere Arbeitsgeräte, Brennholz, schwere Kochkessel und unsere Toten, die während der Arbeit starben oder erschlagen wurden, auf einer Strecke von 5 km nach Hause schleppen. Es musste mit der schwersten Last marschiert werden. Wer der Capo missfiel, wurde grausam geschlagen, wenn nicht erschlagen. Bis der zweite slowakische Männertransport nach etwa 14 Tagen bei uns ankam, blieben von unserem Transport nur ungefähr 150 am Leben. Allabendlich wurden wir gezählt, die Leichen wurden auf flache Feldbahnwagen gelegt oder auf ein Lastauto verladen und nach dem sich in der Nähe befindlichen Birkenwald (Brezinsky) geführt, wo sie in einer einige Meter tiefen und etwa 15 m langen Grube verbrannt wurden.

Auf dem Wege zum Arbeitsplatz begegneten wir täglich einem Kommando (Arbeitsgruppe) von 300 jüdischen Mädchen aus der Slowakei, die in der nahen Umgebung Erdarbeiten verrichteten. Sie waren in alten russischen Uniformfetzen angezogen und trugen Holzschuhe. Die Köpfe hatten sie kahl geschoren, sprechen konnten wir sie leider nicht.

Bis Mitte Mai 1942 trafen insgesamt 4 jüdische Männertransporte aus der Slowakei in Birkenau ein, die auf dieselbe Art wie wir behandelt wurden. Von den Angehörigen des ersten und zweiten Transportes wurden 120 Mann (darunter auch ich) ausgewählt und auf Verlangen der Lagerverwaltung Auschwitz, welche Ärzte, Dentisten, Hochschüler und Berufsbeamte anforderte, derselben zur Verfügung gestellt. Die Gruppe bestand aus 50 slowakischen und 50 französischen Juden. Da ich mir inzwischen in Birkenau eine gute Stelle erkämpft hatte, indem ich einem Kommando von 50 Personen vorstand und hierdurch einen unbedeutenden Vorzug genoss, wollte ich anfangs nicht nach Auschwitz. Doch ließ ich mich überreden und ging. Nach 8 Tagen wurden von den 120 Intelligenzlern 18 Ärzte und Krankenpfleger und 3 weitere Personen ausgewählt. Die Ärzte wurden im "Krankenbau" Auschwitz beschäftigt, wir drei wurden nach Birkenau zurückgeschickt. Meine zwei Genossen Ladislav Braun aus Trnava und Gross aus Vrbové die seitdem gestorben sind, kamen zum slowakischen Block, ich zum französischen, wo wir mit der Verrichtung der Evidenzarbeit und der sogenannten "Krankenpflege" betraut wurden. Die restlichen 99 Personen wurden in die Kiesgrube zur Arbeit geschickt, wo sie alle nach kurzer Zeit umgekommen sind.

Kurz darauf wurde in einem Objekt ein sogenannter "Krankenbau" errichtet. Es war der berüchtigte "Block 7". Ich wurde dort zuerst als "Hauptpfleger" später als Verwalter angestellt. Chef dieses Krankenbaues war der Pole Viktor Mordarki, Häftlingsnummer 3550. Der Krankenbau war nichts anderes als eine Sammelstelle von Todeskandidaten. Hierher wurden alle arbeitsunfähigen Häftlinge eingeliefert. Von einer ärztlichen Behandlung oder Pflege kann gar keine Rede sein. Täglich hatten wir ca 150 Tote zu verzeichnen. Die Leichen wurden täglich in das Krematorium nach Auschwitz geführt.

Gleichzeitig begannen auch die sogenannten "Selektionen". Zweimal wöchentlich, Montag und Donnerstag, bestimmte der Standortarzt (Lagerarzt) die Zahl jener Häftlinge, die durch Vergasung getötet und dann verbrannt werden sollen. Die Selektierten wurden in Lastautos verladen und in den Birkenwald geführt. Jene, die dort noch lebend ankamen, wurden in einer bei der Verbrennungsgrube zu diesem Zweck errichteten grossen Baracke vergast und dann in die Grube geworfen und verbrannt. Der wöchentliche Ausfall im Block 7 war um die 2.000, hievon etwa 1.200, die eines "natürlichen" Todes und etwa 800, die durch Selektionen starben. Über die nicht Selektierten wurden Totenmeldungen ausgestellt und diese dem Lageroberkommando nach Oranienburg eingesandt. Über die Selektierten wurde ein Buch mit der Bezeichnung "SB" (Sonderbehandlung) geführt. Bis zum 15. Januar 1943, bis zu welcher Zeit ich im Block 7 die Verwaltung innehatte und daher die Möglichkeit besaß, die Geschehnisse unmittelbar zu beobachten, sind in diesem eines natürlichen Todes oder durch Selektionen ca 30.000 Häftlinge umgekommen.

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