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Bericht von George Messersmith an das State Department [US-Außenministerium] zum gegenwärtigen Stand der antisemitischen Bewegung in Deutschland (21. September 1933)

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Im Hinblick auf die Staatsbürgerschaft befinden sich die Gesetze, welche die Juden entrechten sollen, noch überwiegend in Vorbereitung. Aus den bestmöglichen mir zur Verfügung stehenden Informationen geht hervor, dass anscheinend immer noch die Absicht besteht, praktisch alle Juden in Deutschland zu entrechten. Sie sollen den Status von „Ausländern“ erhalten, auch wenn ihre Familie seit Generationen in Deutschland lebt. Das ist die Position der Radikalen in der Partei, und die Gesetze werden, sollte nicht eine Bahn brechende Änderung eintreten, bei ihrer Verabschiedung sehr drastisch ausfallen. Unter dem Gesetz vom 14. Juli 1933 hat der Reichsminister des Innern bereits jetzt das Recht, Personen ohne Angabe von Gründen die Staatsbürgerschaft zu entziehen und ihr Eigentum zu beschlagnahmen. Das „Berliner Tageblatt“ vom 25. August und andere Zeitungen haben eine Liste von 33 deutschen Staatsbürgern veröffentlicht, die unter diesem Gesetz auf Anordnung des Reichsinnenministers ihrer Staatsbürgerschaft verlustig gingen. Unter den Namen auf dieser Liste befinden sich jene von George Bernard, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann und Philip Schneidemann.

Die Gesetze, die das Verbot von Mischehen regeln, wurden noch nicht veröffentlicht; solche Ehen wurden jedoch durch die bereits geltenden Maßnahmen fast ebenso wirksam unterbunden wie ein Gesetz es vermag. Das State Department ist aus früheren Berichten informiert, dass Parteimitglieder nicht mehr mit einer Person nichtarischer Abstammung eine Ehe eingehen dürfen, und sollte es ein Parteimitglied mit einer nichtarischen Frau oder einem nichtarischen Mann geben, muss diese Person aus der Partei ausgeschlossen werden. Nach dem Reichsbeamtengesetz wurden viele mit Nichtariern verheiratete Personen arischer Abstammung gezwungen, ihre Stellung aufzugeben. Die Behauptung ist keine Übertreibung, dass Tausende zwischen Ariern und Nichtariern geplante Ehen nicht stattfinden, weil eine solche Ehe die Karriere oder die schiere Lebensgrundlage der einen oder anderen Seite zerstören würde. Die nichtarischen Ehefrauen arischer Beamter haben meines Wissens ihre Ehemänner freiwillig verlassen, um ihnen die Fortsetzung ihrer Laufbahn zu ermöglichen. Die Frau eines arischen Professors teilte mir kürzlich mit, dass sie in die Vereinigten Staaten gehe und sich von ihrem Mann trenne, weil er ein Regierungsamt in Stuttgart bekleidet, und da sie jüdischer Herkunft sei, verlasse sie ihn, um ihm zu ermöglichen, weiterhin seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Da ich zufällig weiß, dass es sich um eine glückliche Ehe handelt, zitiere ich bloß diesen Einzelfall einer menschlichen Tragödie, die sich tagtäglich abspielt.

Die „Säuberung“ der Universitäten von jüdischen Professoren und allen, die nach dem Berufsbeamtengesetz nichtarische Vorfahren haben, geht weiter. Meines Wissens gibt es an der Berliner Universität nur noch einen Professor jüdischer Herkunft. Am 9. September ordnete der Reichsstatthalter von Sachsen in Übereinstimmung mit einem Entscheid des Sächsischen Bildungsministeriums und des Reichsbeamtengesetzes die Entlassung von sechs Professoren der Universität von Leipzig an, fünf von ihnen jüdischer Abstammung. In anderen Universitäten wurde die „Säuberung“ schon vor einiger Zeit vollzogen.

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