DLF: Würden Sie die Einschätzung teilen, Herr Dr. Eppler, daß das SPD/SED-Dokument in der DDR mehr diskutiert wird als in der Bundesrepublik, und zwar innerhalb wie außerhalb der SED, daß sich sogar bestimmte Erwartungen daran knüpfen, in der Bevölkerung zumindest, auch an der Basis der SED?
Eppler: Ich habe das fast schon als blamabel für einen Bundesbürger erlebt, mit welcher Leidenschaft dieses Papier in der DDR und, Sie sagen mit Recht: innerhalb und außerhalb der SED diskutiert worden ist und wie wenige Menschen in dieser Republik überhaupt Kenntnis davon genommen haben. Ich glaube, daß es in der DDR viel leichter wäre, dieses Papier zu einem entscheidenden innenpolitischen Thema zu machen, wenn es das bei uns auch wäre.
DLF: Sie haben das Dokument einmal einen Auftakt zum systemöffnenden Dialog genannt. Sehen Sie sich in dieser Erwartung bestätigt, oder haben die Erfahrungen seit der Unterzeichnung des Papiers nicht im Gegenteil demonstriert, daß ein Austragen ideologischer Gegensätze und politischer Meinungsverschiedenheiten mit der SED sehr schwierig ist und von ihr allzu schnell als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückgewiesen wird?
Eppler: Die Formel vom systemöffnenden Dialog habe ich von Bundespräsident Richard von Weizsäcker übernommen, der übrigens unter Hinweis auf dieses Papier von einem system-öffnenden Dialog gesprochen hat. Wenn ich heute zurückblicke, muß ich sagen, wenn man das Wort »Anfang« ganz dick unterstreicht, dann kann man von einem Anfang des system-öffnenden Dialogs sprechen, aber eben wirklich der erste Anfang.
[ . . . ]
Quelle: „Beziehungen zwischen SPD und SED. Interview mit Erhard Eppler,“ Deutschland Archiv 21, Nr. 10 (1988), S. 1126-29. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Deutschland Archivs.