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Theodor Barth über die Notwendigkeit einer linksliberalen Opposition zu Bismarck (26. Juni 1886)

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Bei dieser Sachlage kann die Bildung einer grundsätzlichen Oppositionspartei als der Ausgangspunkt einer gründlichen Reform unserer verschrobenen Parteiverhältnisse von jedem Gesichtspunkte aus nur begrüßt werden. Eine solche Partei hat aber in Deutschland zur Zeit noch eine ganz besondere Mission zu erfüllen. Die politische Konsumtionsfähigkeit des Fürsten Bismarck ist eine so ungeheure, daß alles, was mit ihm arbeitet, auch verarbeitet wird. Er gehört nicht zu jenen Meistern, die eine Schule hinterlassen. Er hat nur eine Gefolgschaft, aber keine Jünger. Ein selbständiger politischer Charakter kann sich nicht unter ihm, wird sich nur gegen ihn entwickeln. Die Opposition hat deshalb gleichsam einen Sparfonds an Ideen und Charakter für jene Zukunft anzulegen, in der Fürst Bismarck nicht mehr ist oder seine Politik völlig abgewirtschaftet hat.

Der Widerstand gegen die Bismarcksche Politik ist zu vertiefen und grundsätzlicher zu gestalten; den Ideen, die man kritisiert und bekämpft, sind in deutlichen Umrissen die Ideen entgegenzustellen, welche die Opposition durchgeführt wissen will.

In dem jetzt anbrechenden dritten Dezennium wird es sich zeigen, ob die politischen Grundsätze der ersten oder diejenigen der zweiten Hälfte der verflossenen zwanzig Jahre eine größere Lebenskraft besitzen.



Quelle: Theodor Barth, „Zwei Jahrzehnte deutscher Politik“, in Die Nation. Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Literatur, 3. Jg. 1885/86, 26. Juni 1886, S. 565.

Auch abgedruckt in Wilfried Loth, Das Kaiserreich. Obrigkeitsstaat und politische Mobilisierung. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1997, pp. 183-86.

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