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I. Aufbau des NS-Regimes
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Überblick   |   I. Aufbau des NS-Regimes   |   II. Der NS-Staat   |   III. SS und Polizei   |   IV. Der organisierte Widerstand   |   V. Rassenpolitik   |   VI. Militär, Außenpolitik und Krieg   |   VII. Arbeit und Wirtschaft   |   VIII. Geschlechterrollen, Familie und Generationen   |   IX. Religion   |   X. Literatur, Kunst und Musik   |   XI. Propaganda und die Öffentlichkeit   |   XII. Region, Stadt und Land   |   XIII. Wissenschaft

Am 1. Februar 1933 entsprach Reichspräsident Hindenburg Hitlers Forderung nach Neuwahlen. Unmittelbar danach forderte Hitler eine Notverordnung, die angeblich dem Schutz vor kommunistischem Terror dienen sollte. Diese „Notverordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes“ vom 4. Februar 1933 ermöglichte es dem neuen Innenminister Wilhelm Frick (1877-1946), in Zusammenarbeit mit der jeweils örtlichen Polizei öffentliche Versammlungen sowie „Druckschriften, deren Inhalt geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gefährden“ zu verbieten. Fricks Ministerium und die Polizeibehörden erhielten außerdem die Macht, Streiks in wichtigen Wirtschaftszweigen zu verbieten. Zudem wurde ihnen eine erweiterte Verhaftungsbefugnis verliehen, was bedeutete, dass sie Personen verhaften konnten, die von verbotenen Aktivitäten gewusst, aber nicht die Behörden informiert hatten. Die „Verordnung zum Schutze des Deutschen Volkes“ ermöglichte es der Hitler-Regierung schließlich, in den Vorwochen der Wahlen Kommunisten und Sozialdemokraten zu verhaften und gegen die Regierung gerichtete Wahlkampagnen zu unterdrücken.

Während der Kabinettssitzung vom 8. Februar 1933 stellte Hitler seine Vision einer deutschen „Wiederwehrhaftmachung“ vor. Reichswehrminister Werner von Blomberg (1878-1946), der bereits von Hindenburg ernannt worden war, machte schon bald seine Etatforderungen geltend, indem er argumentierte, der Zustand der deutschen Armee mache eine schnelle Wiederbewaffnung zur absoluten Priorität. Erst nachdem diese erreicht sei, könne die Regierung sich auf andere Ziele konzentrieren. Die Niederschrift der Sitzung enthüllt ein hohes Maß an gemeinsamen Interessen zwischen dem neuen Reichskanzler und dem deutschen Militär. Darüber hinaus zeigt sie, dass Hitler vor hatte, weitaus länger im Amt zu bleiben als seine direkten Vorgänger – kaum länger als eine Woche an der Macht, entwarf er bereits einen Plan zur Wiederaufrüstung Deutschlands innerhalb von fünf Jahren.

Insgesamt gesehen, gehörte die deutsche Großindustrie in den vorangegangenen Wahlen nicht zu den nennenswerten Unterstützern der Nazis (1). Hitler hoffte aber, das zu ändern. Am 20. Februar 1933 lud Hermann Göring (1893-1946) ungefähr zwanzig führende Industrielle und Bankiers zu einem privaten Treffen ein. Göring, ein hochdekorierter Pilot aus dem Ersten Weltkrieg und ein echter Lebemann, hatte weitaus bessere Verbindungen zur Wirtschaftselite als Hitler, der aus bescheidenen österreichischen Verhältnissen stammte und dessen ungeschicktes Auftreten und volksverhetzender Ton viele bekannte Geschäftsleute zurückhaltend bleiben ließ. An der Sitzung war auch Dr. Hjalmar Schacht (1877-1970) beteiligt, der von 1923 bis 1930 Präsident der Reichsbank gewesen war. Nachdem er sich zuvor in der Mitte des politischen Spektrums befunden hatte, begann Schacht in der zweiten Hälfte der 20er Jahre, sich politisch nach rechts zu bewegen. Als Hitler an die Macht kam, hatte er sich den Nazis bereits seit Jahren angedient. Dennoch beruhigte und ermutigte Schachts Anwesenheit bei der Sitzung die Industriellen, und es gelang ihm, Spendenzusagen für die Wahlkampagne der Regierung zu bekommen. Im Monat darauf wurde er erneut zum Präsidenten der Reichsbank ernannt, diesmal unter dem NS-Regime.





(1) Vgl. Henry Ashby Turner, Jr., German Big Business and the Rise of Nazism. New York: Oxford University Press, 1985 (dt.: Henry Ashby Turner, Jr., Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers, übersetzt von Hildegard Möller und Marina Münkler. Berlin: Siedler, 1985).

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