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Überblick
Druckfassung

Überblick   |   I. Aufbau des NS-Regimes   |   II. Der NS-Staat   |   III. SS und Polizei   |   IV. Der organisierte Widerstand   |   V. Rassenpolitik   |   VI. Militär, Außenpolitik und Krieg   |   VII. Arbeit und Wirtschaft   |   VIII. Geschlechterrollen, Familie und Generationen   |   IX. Religion   |   X. Literatur, Kunst und Musik   |   XI. Propaganda und die Öffentlichkeit   |   XII. Region, Stadt und Land   |   XIII. Wissenschaft

Adolf Hitlers (1889-1945) Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war weder zufällig noch unvermeidbar; sie war vielmehr der Fähigkeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) zuzuschreiben, erfolgreich die grundlegenden Schwächen der Weimarer Republik auszunutzen, um erhebliche Unterstützung seitens der Bevölkerung zu gewinnen. Ohne die unerwartete Hilfe seiner politischen Gegner hätte Hitler jedoch auf legalem Weg – oder vielleicht überhaupt – niemals Reichskanzler werden können.

Im September 1930 hatte die NSDAP in einer landesweiten Wahl 18,3 Prozent der Stimmen und damit die zweitgrößte Zahl an Sitzen im Reichstag gewonnen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten ihre politischen Gegner und Beobachter den Nationalsozialismus hauptsächlich als eine Bewegung von Raufbolden und Außenseitern abgetan, welche die Republik mit Gewalt stürzen wollten – was Hitler tatsächlich während seines Putschversuches im November 1923 erfolglos angestrebt hatte. In den späten 1920er Jahren hatten führende Parteimitglieder und örtliche, innerhalb des Systems agierende Aktivisten allerdings eine zunehmend effektive organisatorische Basis in weiten Teilen Deutschlands aufgebaut und neue – legale – Wege entdeckt, um verschiedene soziale Schichten anzusprechen. Während der Weltwirtschaftskrise schlugen die Nazis aus Hitlers Charisma, der hohen Arbeitslosigkeit und den Ängsten der Mittel- und Oberschicht vor Kommunismus und Sozialismus Kapital, was sich in einem beachtlichen Anstieg der Wählerschaft niederschlug.

In diesen Jahren kam es im Reichstag zu erbitterten Kämpfen zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten, die beide ständig versuchten, die Verabschiedung von Regierungsmaßnahmen zu verhindern. Gleichzeitig bekämpften sich ihre jeweiligen paramilitärischen Kampftruppen, die Sturmabteilung (SA) einerseits und der Rotfrontkämpferbund andererseits gegenseitig (und die sozialdemokratisch orientierte Reichsbanner-Organisation) in den Straßen und Bierkellern überall im Land. Die wirtschaftliche Misere, der politische Stillstand sowie der Zusammenbruch von Recht und Ordnung wirkten zusammen und verschlimmerten sich gegenseitig. Die ohnehin weit verbreiteten Zweifel an Deutschlands parlamentarischem System, begünstigt durch die illiberale politische Tradition des 19. Jahrhunderts, wuchsen weiter an.

Hitlers extreme Rassenideologie (die er in Mein Kampf dargelegt hatte), seine Verurteilung wegen Hochverrats 1924, seine erst relativ spät (1932) erfolgte Einbürgerung in Deutschland sowie seine persönliche und politische Unnachgiebigkeit platzierten ihn weit außerhalb des „gewöhnlichen“ Spektrums der nationalen Politik. Er war jedoch in der Lage, einen bedeutenden Teil der deutschen Wählerschaft für sich einzunehmen. In der Wahl zum Reichspräsidenten erhielt Hitler im 2. Wahlgang am 10. April 1932 13,4 Millionen Stimmen (der Amtsinhaber Paul von Hindenburg erhielt 19,4 Millionen).



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