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Aus der Denkschrift des Bundesministeriums für Familienfragen über „Die Gründe unseres Geburtenrückgangs” (1957)

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F. Frauenüberschuß:
Eine nicht zu unterschätzende weitere Ursache für den Geburtenrückgang liegt naturgemäß in den großen Menschenverlusten der beiden Weltkriege. Infolgedessen befinden sich heute allein in den Altersgruppen der Dreißig- bis Fünfunddreißigjährigen 820 000 mehr Frauen als Männer. Insgesamt wird man sagen dürfen, daß rund 1 Million Frauen hierdurch Ehe und Kinder versagt bleiben.

G. Scheidungshäufigkeit:
Die Scheidungshäufigkeit, auf deren Ursachen hier nicht eingegangen werden kann, lag 1955 bei 85 Scheidungen auf 100 000 Einwohner. Im Jahre 1910 kamen nur 23 Ehescheidungen auf 100 000 Einwohner, im Jahre 1937 69 auf 100 000 Einwohner. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang, daß nach privaten Erhebungen 12 Prozent aller Heimkehrerehen geschieden wurden, während der Durchschnittsatz für die anderen Ehen bei 0,36 Prozent lag. [ . . . ]

H. Ethische Seite und Schlußfolgerungen:
Der Geburtenrückgang im gegenwärtigen Ausmaß wirft ernste Probleme auf. Es handelt sich hierbei um Entscheidungen im absolut privaten Bereich des menschlichen Lebens, die weitgehend von der ethischen Haltung des Einzelnen abhängen. Diese zu bestimmen kann nicht Sache des Staates sein. Hier liegt die Aufgabe bei den Kräften des freien ethisch-kulturellen Raumes, insbesondere bei den Kirchen. Sicher ist die sittliche Seite des Problems noch wichtiger als wirtschaftlich-materielle Fragen. Alle wirtschaftlichen Maßnahmen können nur dann von dauernder Wirkung sein, wenn die ethischen Voraussetzungen (Verdrängung allzu materialistischer Denkweise) gegeben sind.

Ebenso steht aber außer Zweifel, daß dem überwiegenden Wunsch nach (mehr) Kindern in weitem Umfang auch sehr schwerwiegende äußere Hindernisse (wirtschaftliche Lage der Mehrkinderfamilie, Wohnungsnot) entgegenstehen. Hierdurch werden die Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft auf den Plan gerufen. Es muß einer Entwicklung entgegengetreten werden, in der vorwiegend »das isolierte Individuum zum Partner und Baustein für die Gebilde der Gesellschaft, besonders den Staat und das politische Leben, wurde« (Schelsky). [ . . . ]



Quelle: Aus der Denkschrift des Bundesministeriums für Familienfragen über „Die Gründe unseres Geburtenrückgangs“ von 1957, S. 4f., 7ff, 10f. DGB/Bestand Familienfragen/Familiendenkschriften; abgedruckt in Klaus-Jörg Ruhl, Hg., Frauen in der Nachkriegszeit 1945-1963. München: Deutscher Taschenbuchverlag, 1988, S. 130-34.

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