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2. Parteien und Organisationen
Druckfassung

1. Staat und Regierung   |   1.A. Staatenbund oder Nationalstaat?   |   1.B. Autoritäre Herrschaft oder Verfassungsstaat?   |   1.C. Emanzipation der Juden   |   2. Parteien und Organisationen   |   3. Militär und Krieg   |   4. Wirtschaft und Arbeit   |   5. Natur und Umwelt   |   6. Geschlecht, Familie, und Generationen   |   7. Regionen, Städte, Landschaften   |   8. Religion   |   9. Literatur, Kunst, Musik   |   10. Die Kultur der Eliten und des Volkes   |   11. Wissenschaft und Bildung

Anfang Oktober 1847 trafen sich liberale Parlamentsabgeordnete und Politiker aus verschiedenen Staaten Süddeutschlands in der Stadt Heppenheim, um ein gemeinsames Programm auszuarbeiten. Ihre Erklärung, das „Heppenheimer Programm“ vom 10. Oktober 1847, ist eine gute Zusammenfassung des liberalen Gedankenguts am Vorabend der Revolution von 1848. Im Zentrum stand für diese Liberalen zwar die Forderung nach einem geeinten deutschen Nationalstaat, doch sie strebten auch die Ausweitung bürgerlicher Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit sowie die Abschaffung des Feudalismus und der Vorherrschaft des Adels an. Wie der Zeitungsbericht über dieses Treffen nahelegt, waren sich die Liberalen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der unteren Schichten durchaus bewusst, wie z.B. der Steuerlast und des sinkenden Lebensstandards, aber sie konnten sich nicht darauf einigen, was dagegen zu unternehmen sei.

Das Programm der liberalen, 1861 in Preußen gegründeten Deutschen Fortschrittspartei verdeutlicht die Forderungen der liberalen Parteien gegen Ende des hier behandelten Zeitraums. Der Nationalismus und die deutsche nationale Einheit waren nach wie vor ein zentrales Thema für die Liberalen. An Bedeutung gewonnen hatten die Bewahrung von Rechtsstaatlichkeit und die Schaffung eines starken und unabhängigen Rechtswesens. Ein weiteres wichtiges Anliegen bestand darin, die Machtbefugnisse des gewählten Abgeordnetenhauses des preußischen Landtags gegenüber der preußischen Regierung und dem vom Adel dominierten Herrenhaus zu stärken. Ebenfalls behandelt wurden die Steuerlast und wirtschaftspolitische Fragen, wenngleich, wie bereits im Heppenheimer Programm, nur andeutungsweise. Weitere Themen von Bedeutung waren das öffentliche Bildungswesen sowie die Trennung von Kirche und Staat.

Mit dem Begriff „Demokraten“ bezeichnete man zu jener Zeit die radikaleren deutschen Politiker. Sie traten während der Revolution von 1848/49 am aktivsten und wirkungsvollsten in Erscheinung. Gustav von Struve (1805-1870) war ein bekannter demokratischer Politiker im Großherzogtum Baden. Als Teilnehmer am sogenannten Vorparlament, dem Treffen liberaler und demokratischer Politiker im März/April 1848, das die Einberufung einer deutschen Nationalversammlung vorbereiten sollte, reichte er einen Antrag ein, der den Kern des politischen Programms der Demokraten enthielt. Einige Teile von Struves Antrag lassen Ähnlichkeiten mit liberalen Ideen erkennen: nationale Einheit, bürgerliche Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit, Trennung von Kirche und Staat, Ende des Feudalismus und der Vorherrschaft des Adels. Diese Vorstellungen wurden hier jedoch entschiedener und heftiger vorgetragen. Weitere Aspekte, die typisch für die Demokraten waren, betrafen eine dezidiert feindselige Haltung gegenüber dem Adel und die Befürwortung einer republikanischen Staatsform. Das Programm forderte außerdem soziale Reformen und Maßnahmen zur Armutsbekämpfung – Themen, mit denen sich die Liberalen eher ungern beschäftigten. Bemerkenswert ist auch, dass dieses demokratische und radikale politische Programm sich gegen die Bürokratie wandte und nachdrücklich Steuersenkungen verlangte – Forderungen, die heutzutage eher mit Konservativen in Verbindung gebracht werden.

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