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1. Die Lage im Jahre 1945
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Überblick   |   1. Die Lage im Jahre 1945   |   2. Wirtschaft und Politik in den beiden deutschen Staaten   |   3. Die Rekonstituierung der deutschen Gesellschaft   |   4. Kultur   |   Empfehlungen zur weiterführenden deutschen Literatur   |   Empfehlungen zur weiterführenden englischen Literatur

Seitdem wurde der Eiserne Vorhang zu einer zunehmend befestigten und bewachten Grenze ausgebaut. Zu den NATO-Kräften auf der westlichen und der Roten Armee auf der östlichen Seite kamen deutsche Polizei- und Grenzschutz-Kontingente. Angesichts der wachsenden Spannungen wurde die Grenze immer undurchdringbarer, bis im August 1961 in Berlin schließlich vom DDR-Regime mit Billigung des Kremls eine durch ganz Berlin laufende Mauer gebaut wurde. Die Zonengrenze im Westen wurde mit ihren Stacheldrahtverhauen und anderen Anlagen ebenfalls abgeriegelt. Der Versuch, von Ostberlin über die Mauer nach Westen zu fliehen, endete für viele, die aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen die DDR verlassen wollten, mit tödlichen Schüssen.

Unter diesen Umständen funktionierte die Alliierte Zusammenarbeit bestenfalls bis 1947. Aber selbst während dieser frühen Nachkriegsjahre war sie meist darauf beschränkt, die in Jalta und Potsdam vereinbarten „negativen” Friedensziele zu verwirklichen. Selbst bei der Frage, wie man das Land am besten von den Nazis befreien könnte, gab es Meinungsverschiedenheiten. Von November 1945 bis Oktober 1946 kooperierten die Alliierten im Nürnberger Prozess während der Anklage und Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher aus Partei, Bürokratie, Wehrmacht und Industrie. Dies blieb jedoch das einzige Beispiel alliierter Kooperation bei der Verfolgung von Kriegsverbrechern. Bald darauf sollte es ein amerikanisches Militärtribunal – kein internationales – sein, welches das Verfahren gegen NS-Ärzte wegen ihrer Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit eröffnete.

Inzwischen wurden Millionen von deutschen Durchschnittsbürgern dem Prozess der Entnazifizierung unterzogen. In den Westzonen musste jeder Erwachsene einen langen Fragebogen ausfüllen, auf dem alle ihre politischen Tätigkeiten vor und während des Dritten Reiches angeben werden mussten. Sie wurden dann vor eine unter Alliierter Aufsicht stehende Spruchkammer zitiert, die sie – abhängig vom Grad ihrer Kollaboration mit dem Regime – in eine von mehreren Kategorien einstufte: Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer und Entlastete.

Zu diesen Vorgängen ist die Lektüre der Denkschrift „Der aktuelle Stand der Entnazifizierung“, die der amerikanische Hochkommissar in Deutschland, John J. McCloy, im Dezember 1950 rückblickend anfertigte, sehr erhellend. Er spricht darin über die Praxis und die Resultate, die seiner Meinung nach ein Programm erzielte, das viele Deutsche mit Zynismus und die Westalliierten mit Unzufriedenheit betrachteten. In der Sowjetzone gelang es den Verantwortlichen, den Eindruck zu erwecken, als seien sie in Sachen Entnazifizierung gründlicher als die Westalliierten. Das sowjetische Programm entließ viele Lehrer und Dozenten, die Nazis gewesen waren, doch ihre Maßnahmen richteten sich vor allem gegen die Grundbesitzer sowie die großen und kleinen Unternehmer. Sie waren es vermeintlich, die – im Einklang mit der stalinistischen Kapitalismustheorie – Hitler an die Macht gebracht hatten und auch in den Jahren darauf die Drahtzieher hinter den Kulissen gewesen waren. Sofern diese Eliten nicht verhaftet und abgeurteilt wurden, wurde ihr Besitz konfisziert. Die Güter wurden z.T. an kleine Landwirte verteilt; Industrie- und Handelsunternehmen wurden verstaatlicht.



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