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VI. Militär, Außenpolitik und Krieg
Druckfassung

Überblick   |   I. Aufbau des NS-Regimes   |   II. Der NS-Staat   |   III. SS und Polizei   |   IV. Der organisierte Widerstand   |   V. Rassenpolitik   |   VI. Militär, Außenpolitik und Krieg   |   VII. Arbeit und Wirtschaft   |   VIII. Geschlechterrollen, Familie und Generationen   |   IX. Religion   |   X. Literatur, Kunst und Musik   |   XI. Propaganda und die Öffentlichkeit   |   XII. Region, Stadt und Land   |   XIII. Wissenschaft

Am 1. September 1939 marschierten die Deutschen in Polen ein und schlugen die polnischen Streitkräfte in wenigen Wochen. In einer Reihe von Offensiven im Frühjahr 1940 eroberten sie Norwegen, Dänemark, Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Frankreich. Italien, der Verbündete Deutschlands, trat während der letzten Phase des Krieges gegen Frankreich in den Krieg ein. Großbritannien unter der neuen Regierung Winston Churchills (1874-1965), der im Mai 1940 Neville Chamberlains Nachfolger wurde, weigerte sich aber, Friedensverhandlungen in Betracht zu ziehen und widerstand der deutschen Bombardierung, die dazu dienen sollte, die britische Moral zu brechen.

Im Sommer 1940 hatte Hitler bereits erwägt, die Sowjetunion anzugreifen, obwohl Großbritannien noch immer nicht erobert worden war und sogar trotz der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten, ohne in den Krieg einzutreten, Wege fanden, ihren Freund und Verbündeten zu unterstützen. Am 18. Dezember 1940 wies Hitler die Wehrmacht an, einen Feldzug gegen die Sowjetunion vorzubereiten. Die „Führerweisung Nr. 21, Fall Barbarossa“ spiegelt Hitlers Glauben wider, dass Stalin über einen geschwächten Koloss herrschte, der Gefahr lief, einfach zusammenzubrechen; sie zeigt außerdem, wie weitreichend Deutschlands territoriale Ziele waren. Hitlers Entschluss, die Sowjetunion anzugreifen, war schicksalhaft, er entstammte allerdings seinem ursprünglichen Beharren auf deutschem Lebensraum; er war weder impulsiv noch basierte er auf einer Fehleinschätzung sowjetischer Absichten.

Kurz vor der Invasion folgten das Oberkommando des Heeres und das Oberkommando der Wehrmacht Hitlers Anweisungen und unterwiesen ihre Männer über die rassisch-ideologische Natur des Konflikts und die Notwendigkeit, die Träger des Bolschewismus physisch zu vernichten. Wilhelm Keitel (1882-1946), der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, unterzeichnete einen Befehl, der die Exekution an die sowjetischen Truppen angeschlossener politischer Kommissare autorisierte. Die unter Offizieren weitverbreitete Ansicht, dass die Juden untrennbar mit dem Bolschewismus verbunden seien, ermutigte das Militär, mit der SS und Polizeieinheiten zu kooperieren, die systematisch massenweise Juden erschossen. Befehle zu barbarischen Aktionen kamen von der Spitze der militärischen Befehlskette, noch bevor der Russlandfeldzug begonnen wurde.

Weniger als einen Monat nach Beginn dessen, was eine erfolgreiche deutsche Militärkampagne zu sein schien, besprachen Hitler und einige seiner hochrangigen Untergebenen die deutsche Besatzungspolitik in der Sowjetunion. Nach Martin Bormanns Protokoll entwarf Hitler seine Politik in groben Zügen, während die NS-Funktionäre um Einfluss und Zuständigkeitsbereiche stritten. Der Ton dieser Besprechung gibt bereits einen Vorgeschmack auf das, was ein Historiker als den Prozess der Brutalisierung beschrieben hat, die sich durch die Ränge der deutschen Wehrmacht im Osten zog, als die deutsche Offensive sich festgefahren hatte und die Frustration zunahm (30). Die völlige Geringschätzung des Lebens und der Bindungen nicht-deutscher Völker in der Sowjetunion drückte sich ebenfalls im „Generalplan Ost“ aus, der die Verringerung der ortsansässigen Bevölkerung um ungefähr dreißig Millionen vorsah.

Trotz der großen anfänglichen Erfolge konnte der deutsche Feldzug von 1941 den sowjetischen Widerstand nicht brechen. Die deutschen Truppen waren zwar in der Lage, einen großen Teil ihrer Stellungen tief im Innern des sowjetischen Gebiets zu halten, doch waren sie nicht auf den Winter 1941/42 vorbereitet, so dass es zu hohen Verlusten kam. Das Blutvergießen im Osten und Deutschlands Kriegserklärung an die USA nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 läuteten einen weltweiten Kampf ein, in dem wirtschaftliche Mobilisierung und Ressourcen mit der Zeit immer wichtiger wurden.



(30) Omer Bartov, The Eastern Front, 1941-45: German Troops and the Barbarization of Warfare. London: Palgrave MacMillan, 2001; und Hitler’s Army: Soldiers, Nazis and the War in the Third Reich. New York: Oxford, 1992 (dt.: Omer Bartov, Hitlers Wehrmacht. Soldaten, Fanatismus und die Brutalisierung des Krieges, übersetzt von Karin Miedler und Thomas Pfeiffery. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1995).

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