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IV. Der organisierte Widerstand
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Überblick   |   I. Aufbau des NS-Regimes   |   II. Der NS-Staat   |   III. SS und Polizei   |   IV. Der organisierte Widerstand   |   V. Rassenpolitik   |   VI. Militär, Außenpolitik und Krieg   |   VII. Arbeit und Wirtschaft   |   VIII. Geschlechterrollen, Familie und Generationen   |   IX. Religion   |   X. Literatur, Kunst und Musik   |   XI. Propaganda und die Öffentlichkeit   |   XII. Region, Stadt und Land   |   XIII. Wissenschaft

Der Jurist und Diplomat Adam von Trott zu Solz (1909-1944) versuchte, einen Mittelweg für eher konservative Elemente innerhalb des Widerstands einzuschlagen; zudem versuchte er bereits früh, die Alliierten über die Opposition gegen Hitler zu unterrichten. Im September 1939 reiste Trott zu einer Konferenz in die USA. Dort knüpfte er heimlich Kontakte zu deutschen Emigranten und Mitarbeitern des amerikanischen Außenministeriums, jedoch mit geringem Erfolg (10). Im Dezember 1941 versuchte er erneut, den Alliierten Informationen über den deutschen Widerstand zukommen zu lassen, dieses Mal über einen Mitarbeiter des American National Council of Student Christian Associations in Genf. Der britische Geheimdienst, das F.B.I. und das Office of Strategic Services (OSS) billigten allesamt diese Kontaktaufnahme, die ursprünglich in Rio de Janeiro stattfinden sollte. Trott berichtete, der Widerstand beruhe auf der Kooperation zwischen bestimmten Gewerkschaftsführern, den Kirchen und dem Militär, wobei letzteres die führende Rolle spiele. Er legte ebenfalls dar, dass sich ein Staatsstreich erst „nach Zerschlagung der militärischen Macht Deutschlands“ ereignen könne.

Helmut James von Moltke (1907-1945), dessen Familienname praktisch in jedem deutschen Haushalt ein Begriff war – sein Großonkel Helmuth von Moltke (1800-1891) war der erfolgreiche Stratege des Deutsch-Französischen Krieges gewesen – war ein vehementer, kompromissloser Gegner der Nazis. Moltke war Sachverständiger für Völkerrecht beim Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht und organisierte eine Widerstandsgruppe, die später als Kreisauer Kreis bekannt wurde (Kreisau war der Name des schlesischen Familiensitzes der Moltkes, wo die Treffen der Gruppe abgehalten wurden). Im Juli 1943 reiste er in die Türkei, wo er sich mit zwei deutschen Emigranten, Hans Wilbrandt und Alexander Rüstow, beides Regimegegner, traf. Einige der Informationen Moltkes waren von potenziellem militärischem Wert für die Alliierten, und er bat die beiden, diese weiterzuleiten. Er gab außerdem eine Schilderung des Warschauer Ghettoaufstands vom April-Mai 1943 ab. Die Informationen, die er ihnen hierüber gab, beinhalteten jedoch eine falsche (d.h. übertriebene) Beschreibung dessen, wie viel Unterstützung die jüdischen Kämpfer von außen bekommen hatten und über wie viele Waffen sie verfügten. Anscheinend stammten die überhöhten Zahlen von SS-Angehörigen, die gegenüber dem deutschen Militär eine Erklärung für ihre Schwierigkeiten bei der Niederschlagung des Aufstandes brauchten. Moltke berichtete allerdings zutreffend, dass Transporte von Juden aus dem Warschauer Ghetto in „Vernichtungseinrichtungen“ in Polen geschickt worden waren (11). Im Januar 1944 wurde Moltke schließlich verhaftet. Ein Jahr später wurde er zum Tod verurteilt und am 23. Januar 1945 hingerichtet.



(10) Peter Hofmann, Widerstand, Staatsstreich, Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler. München: Piper, 1969, S. 148-54 .
(11) Der Bericht vom 9. Juli 1943 ist lediglich als WRu-OKW identifiziert; diese Abkürzung bedeutet, dass Wilbrandt und Rüstow die Informationen von einer OKW-Quelle erhielten. Ein späteres Dokument, ein Bericht vom 14. September 1943 aus Cereus, nennt Moltke explizit als Quelle des Berichts vom 9. Juli. U.S. National Archives, Record Group 226, Entry 137, Box 23, Folder 160, envelope 3a, part 2. Für zusätzliche Belege zu Moltkes Reise nach Istanbul und sein Treffen mit Wilbrandt und Rüstow siehe Helmut von Moltke, Briefe an Freya. München: C. H. Beck, 1988. Zu Moltkes Bemühungen, Alexander Kirk zu kontaktieren vgl. USA und deutscher Widerstand, herausgegeben von Jürgen Heideking und Christof Mauch. Tübingen: Francke Verlag, 1993, S. 52-59.

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