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III. SS und Polizei
Druckfassung

Überblick   |   I. Aufbau des NS-Regimes   |   II. Der NS-Staat   |   III. SS und Polizei   |   IV. Der organisierte Widerstand   |   V. Rassenpolitik   |   VI. Militär, Außenpolitik und Krieg   |   VII. Arbeit und Wirtschaft   |   VIII. Geschlechterrollen, Familie und Generationen   |   IX. Religion   |   X. Literatur, Kunst und Musik   |   XI. Propaganda und die Öffentlichkeit   |   XII. Region, Stadt und Land   |   XIII. Wissenschaft

Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler übernahm Himmler die Kontrolle über die politische Polizei Bayerns und ging dann nach und nach dazu über, die Kontrolle über die politischen Polizei in den anderen deutschen Ländern an sich zu reißen, wobei er die SS stets fest im Griff behielt. Ein bedeutender Schritt in dieser Entwicklung vollzog sich am 20. April 1934, als Göring in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident Himmler zum stellvertretenden Chef und Inspekteur der Gestapo ernannte. Zunächst war Reinhard Heydrich (1904-1942), Himmlers rechte Hand, mit der direkten Leitung der Gestapo beauftragt. Heydrich war zu diesem Zeitpunkt bereits Chef des SD (Sicherheitsdienst), des Nachrichtendienstes der SS. Später wurde Heinrich Müller (1900-1945?) Amtschef der Gestapo, ein erfahrener bayerischer Kriminalbeamter, der 1934 der SS beigetreten war und erst 1939 NSDAP-Mitglied wurde.

Heydrich, ehrgeizig, talentiert und tatkräftig, war jemand, der nicht leicht zu bremsen war. Doch erkannte er bereits früh, dass er von der Ausdehnung und dem wachsenden Einfluss der SS und dem Polizeiapparat profitieren könnte – und würde – und das bedeutete, Himmler zu dienen. Genau das tat Heydrich bis zum Juni 1942, als er an den Folgen eines durch tschechische Widerstandskämpfer in Prag durchgeführten Attentats starb. In einer geheimen Rede vor hochrangigen Angehörigen des Reichssicherheitshauptamtes am 30. Januar 1943 (dem 10. Jahrestag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler) berichtete Himmler von seiner ersten Begegnung mit Heydrich und wie die beiden vor und nach der Machtübernahme der Nazis zusammengearbeitet hatten. Obwohl der Anlass die Ernennung von Ernst Kaltenbrunner zu Heydrichs Nachfolger als Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) war, nutzte Himmler seine Rede hauptsächlich als Gelegenheit, um Heydrichs zu gedenken und ihn als Vorbild für andere hochrangige Beamte des RSHA darzustellen.

Mitte der 30er Jahre geriet Himmler in Konflikt mit dem Reichsminister des Innern, Wilhelm Frick, seinem nominellen Vorgesetzten (denn die Polizeiverwaltung war ein Zuständigkeitsbereich des Ministeriums). Frick beschwerte sich darüber, dass insbesondere die Gestapo gegen seine Regeln und Zuständigkeit verstieß, indem sie das Rechtssystem umging und Maßnahmen wie die „Schutzhaft“ exzessiv benutzte, um Personen zu entfernen, die sie für gefährlich hielt. Im Juni 1936 beendete Hitler den Streit mit einem Erlass zur „einheitlichen Zusammenfassung der polizeilichen Aufgaben im Reich“, durch den Himmler zum „Chef der deutschen Polizei“ ernannt wurde. Obwohl Himmler sich nach dieser Maßnahme noch immer innerhalb des Reichsinnenministeriums befand, eine Tatsache, die sich in seinem sperrigen neuen Titel – Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei – ausdrückte, war sein Gewinn weitaus größer als sein Verlust. Hitler hatte volles Vertrauen in Himmler signalisiert und Frick gab seine Bemühungen, die Polizei zu zügeln, weitestgehend auf.

Seit Mitte der 30er Jahre gehörte die weltanschauliche Erziehung durch SS-Mitglieder zur Ausbildung in den Polizeischulen. Obwohl Himmler die SS und die Polizei einander angenähert hatte, verschmolzen sie nie ganz. Seine Bemühungen, in beiden Organisationen strenge Verhaltensregeln geltend zu machen, spiegeln sich in Hitlers Erlass vom 15. November 1941 wider, der für homosexuelle Handlungen unter Mitgliedern der SS oder der Polizei die Todesstrafe verhängte. Sowohl Hitler als auch Himmler sahen Homosexualität als ein willentliches oder angeeignetes Verhalten, nicht eine angeborene Neigung. Darüber hinaus hatte Himmler die männliche Homosexualität schon seit langem als eine ernsthafte Bedrohung für die Fortpflanzungsfähigkeit in Deutschland betrachtet. Nach deutschem Recht war Homosexualität strafbar und konnte zu einer Zuchthausstrafe, „Schutzhaft“ oder der Verschleppung in ein Konzentrationslager führen. Für Personen innerhalb Himmlers eigenen Reiches waren die Strafen jedoch wesentlich härter. Zwar wurde gelegentlich in Einzelfällen Gnade gewährt, doch Hitler und Himmler ergriffen die denkbar strengsten Maßnahmen, um die Homosexualität in den beiden verzahnten männlichen Elite-Organisationen des Regimes auszurotten.

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