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Verteidigung der Priesterehe – Katharina Schütz Zell (1524)

In diesem Text vertritt Katharina Schütz Zell (1497/98-1562), die Tochter eines Straßburger Handwerksmeisters und Magistrats, die protestantische Position der Debatte um Zölibat und Priesterehe. Sie hatte 1523 Matthias Zell (1477-1548) aus Kaysersberg im Elsaß geheiratet. Nach seinem Universitätsabschluss wurde er Pastor am Straßburger Münster und gehörte zu den ersten verheirateten Pfarrern der Stadt. Das Ehepaar sah sich scharfer Kritik ausgesetzt und Katharina sah sich gezwungen, ihre Ehe, ihren Mann und sich selbst zu rechtfertigen. Sie verfasste mehrere gedruckte Pamphlete, in denen sie (wie auch katholische Reformer vor ihr) argumentierte, dass es Priestern erlaubt sein solle, zu heiraten und dass (dies ware eine evangelische Neuerung) das Zölibat nicht nur unbiblisch sei, sondern auch sexuelle Freizügigkeit unter Klerikern verursache und somit Priester als Beichtväter für verheiratete Laien disqualifiziere. Katharinas Ehe zeugt von der starken Verbindung, die zwischen dem evangelischen Klerus und der Oberschicht der Handwerksmeister in Straßburg entstand, welche dort größeren politischen Einfluss hatten als in anderen Städten.

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Straßburg, [vor 10. September 1524]

[ . . . ] Sy [= die altgläubigen Geistlichen] fechten auch wider die pfaffen Ee, die doch in götlicher geschrifft nit duncklen, sunder hellen, heyttern grund hat, das kynder und narren mögen lesen und verston, im alten und neüwen testament, wie ichs denn dem bischoff von Straßburg* mit langer gschrifft gezeigt und bewisen hab. Da ich die Ee und die hůrey gegen einander auß götlicher geschrifft gehalten hab. Wolt got, das er ein mal so zornig über mich würde, unnd die yederman ließ zů lesen werden. Warumb halten sy aber (so ich doch ye der ee zů red würd) hart ob der selben, das sy meinen, auch gott zů tratz die widerumb mit gewalt wider hindersich zů tringen, eben darumb (ich můß es sagen) zwo ursachen habend sy. Die erst, Bäpst und Bischöff und ir gesind, Vicarien und ir mitgesellen hebent nit sovil geltz zů hůren zinß uff von eeleütten als von hůren und bůben. So ein pfaff ein eewyb hatt, helt er sich wie ein andrer redlicher frummer burger, und gibt den Bischöffen kein zinß darvon, dann gott hats im fry geben. So sy aber hůren haben, die selben seint der Bäpst und Bischöff eigen leüt. Welcher dann eine haben will, můß sy wol umb in lehenen, unnd sein erlaubnüß haben, billich gibt er im ein zinß darvon. [ . . . ] der pfaff werd arm oder rich, so můß erß dannocht geben, glich wie einer, der einem andren ein gült gůt licht und sin järliche gült daruff schlocht, also thůnt sy auch. Sy habend auch ein eignen meyer oder schaffner über die selbigen gült güter gesetzt, der den zinß järlich innimpt, heyßt Viscal, hat auch jars sin lon darvon. Solche schand und laster beschirmen und verfechten sy wider alle göttliche geschrifft, darin der heilig geyst die hůrer so hart verbant und ußschleüßt vom rich gottes, und verbüt, das man weder essen noch trincken mit inen soll. Als Paulus sagt in der ersten epistel zů den Corintheren am fünfften und sechßten capittel und zů den Epheseren am fünfften. Und aber die ee, die gott allen menschen hat ingepflantzt in der ersten schöpffung, und deren auch kein mensch ledig gesagt, dann die dryerley menschen Matth. am nüntzehenden, und die auch offentlich den priesteren zůeiget, als Paulus sagt zům Timotheo und Tito in sinen epistelen zů inen, die gott also will haben, die wöllen sy verdammen und pinnigen und marteren soliche, die darein komen, wo sy die mögen in iren gewalt bringen. Und aber die unkeüsch keüscheit die sündtflüssische Sodomitische Noezytische hůrery straffen sy nit, und habents nye gestrafft, sunder die beschirmpt, jo weltlich und geistlich habend des ein bundt zůsamen gemacht, also gewaltigklich wider gott zů stritten. O blintheit der häupter, wie sehen ir hie einander zů, die aller erberkeit solten geneigt sein, und die helffen hanthaben, die miessen selbs von inen lassen sagen, das einer fünff, sechs hůren hab, der ander syben kindtbetterin uff ein zyt, und dannocht ein hüpsche metzen im huß auch, und der glichen stuck vil. Es ist doch eben wie Esaias sagt, Kein gesuntheit ist von der fůßsolen bittz inß haupt. O gott syh harab, ich weiß, das du zů merung deines zorns schwigest. Die ander ursach ist, solten die pfaffen eewyber haben, so dörfften sy nimmen also ein umb die ander geben, wie sy mit den metzen thůnt, eine ußschlagen, die ander innemen, dann Paulus sagt, Ein bischoff soll sin ein man einß weybß. Darumb miesten sy erberlichen leben, und wenn inen schon die selb nit gefiel, dörfft er nit also sin wechsel triben. So ist in der ee vil kummers, den man miteinander haben und lyden můß, des wellen sy unverbunden sein, doch lydet einer offt von einer hůren, er lit das halb nit von einer frummen eefrawen. So es aber also erberlich zůging mit pfaffen ee, so bedörfften sy dester dapfferlicher den eebruch straffen an der Cantzel. Sunst, wie sollend sy das straffen, darin sy huffecht stecken, domit ists eben, Ibersyh du mir, so übersyh ich dir. So aber ein pfaff ein eewyb hett, und darnach übel thet, wüst man in zů straffen, aber also habend sy alwegen ein werwort, sagen nüt anders, Ir weltichen habendt gůt sagen, ir habendt eüwer eewyber, so bin ich auch ein mensch, wie kan ich mich an den hymmel heben etc. und ist auch war, ey warumb laßt man dann nit solche ding wie sy gott gemacht hat, eim jeden sin eewyb umb der hůrerey willen, weyßt dann gott nit baß dann der teüffel was gůt ist. Nůn kumpt dz verbot der ee allein uß dem teüffel und die ee uß gott sagt der heylig geyst selbs in der epistel an Timotheum. Jo solt es aber also sin, so möchten es die weltlichen nit erliden, die solche hůrenpfaffen under inen haben. Wann sy sterben, so nemen die eekinder das erb in, sunst nements die frind, unnd stossen bastert darvon, was gödt es sy an, das der teüffel die seel hyn fürt. Aber es konnens dannocht ein theil hůren und ire kinder wol fürsehen, das sicht man täglich wol, dz jetzt ein teil dem adel glich inher göndt, und thůn inen auch recht. Auch würden die eelichen pfaffen dapfer den eebruch miessen straffen, und wie Joannes saget, Es zimpt dir nit, syben kindtbetterin einß mals zů haben, also in hůerey zů sein, unnd dannocht land und leüt helffen regieren, an galgen solt man ein solchen setzen, und nit in ein rott, ein huffen stein an im verwerffen hart im zů. Darumb sagt ein mal ein junger gesell, da man in strafft umb sein hůrey, Solt ichs nit thůn, thůts doch mein vatter, wann er mirs wolt weren, wolt ich zů im sagen, das er sich vor strieff.



* Wilhelm III. von Honstein. [Fußnoten stammen aus: Ruth Kastner, Hg., Quellen zur Reformation 1517-1555. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1994, S. 366-72.]

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