[ . . . ] Kennzeichnend für diese Periode war das schnellere oder langsamere Verschwinden aller Führer und Unterführer, mit Ausnahme von wenigen parlamentarischen Vertretern, die mit ihren Anschauungen und Kampfmethoden noch in der Vorkriegszeit wurzelten. An ihre Stelle traten die jungen Männer der sogenannten Frontgeneration zwischen 25 und 35 Jahren.
Die Bedeutung dieser Wachablösung kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Die Unbedingtheit des Fühlens und Urteilens, die ungeschwächte Glaubenskraft, die rein körperliche Energie und Rauflust dieser jungen Männer verliehen der Partei eine Stoßkraft, der vor allem die bürgerlichen Parteien je länger, je weniger etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen hatten. Im Drahtverhau altersgrauer Erfahrungen und an den spanischen Reitern bitterer Skepsis kann man den Angriff der Jugend nur selten auffangen. Für jene Jugend der zwanziger Jahre waren sie nichts als eine neue Herausforderung ihres Trotzes und ihres revolutionären Überschwangs. Am schnellsten bekamen es die völkischen Gruppen und Parteiungen zu spüren, deren Führung noch irgendwelche aus der Vergangenheit übernommenen konservativen oder richtiger reaktionären Anschauungen vertrat. Nach zwei kurzen Jahren, um 1928 herum, spielten sie keinerlei politische Rolle mehr, auch wenn sie, wie der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund“, einmal einige hunderttausend Mitglieder und Anhänger gehabt hatten. Selbst in Hamburg, wo die Entwicklung der NSDAP recht langsam voranging, war schon nach einem Jahr die „Völkische Freiheitspartei“ in voller Auflösung. „Ohne Jugend läßt sich nichts organisieren, nicht einmal die Verteilung von Flugblättern“, bekannte mir einer ihrer Vertreter.
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Quelle: Albert Krebs, Tendenzen und Gestalten der NSDAP: Erinnerungen an die Frühzeit der Partei. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, 1959, S. 42-43.