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Petition Ulmer Bürger (Oktober 1862); Bericht der Bayerischen Central-Stelle für Gewerbe und Handel (Januar 1863)

Dieses Gesuch Ulmer Bürger um 1862-1863 steht stellvertretend für die wachsende Zahl von Beschwerden über Verschmutzung durch nahegelegene Industrieanlagen, die zunehmend mit emissionsreicher Steinkohle betrieben wurden. Der Bericht der Bayerischen Central-Stelle für Gewerbe und Handel verdeutlicht, dass die Behörden derartige Probleme zwar erkannten, jedoch häufig untätig blieben und den Bürgern empfahlen, sich eben an industrielle Verschmutzung zu gewöhnen.

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I. Petition Ulmer Bürger, Oktober 1862

In neuer Zeit hat dahier die Feuerung mit Steinkohlen, besonders Mießbacher Kohlen bei größeren Gewerben, wie Bierbrauereien, Malzdörren, Tabakfabriken, sehr überhand genommen, so zwar daß einzelne Wohnungen von solchen Einrichtungen förmlich von allen Seiten umringt sind, wie denn z.B. in der Umgebung der mitunterzeichneten Teichmann und Baur nicht weniger als sechs dieser Feuerungen sich befinden, nämlich gegen Osten die Malzdörre von Winkler, die Bierbrauereien zur Hohen Schule und zur Breite die Tabakfabrik der Gebrüder Bürglen gegen Süden und Westen die Bierbrauereien zum Pflug und zum Löwen. Bei heftigem Wind oder wenn Nebel den Rauch herabdrückt, Erscheinungen, welche bekantlich in hiesiger Stadt nur zu häufig sind, geschieht es, daß die in der Nähe solcher Feuer-Einrichtungen befindlichen Häuser in einem Rauch Meer schwimmen. Es wird dadurch nicht bloß der Zutritt der frischen Luft gänzlich abgeschnitten, sondern es verbreitet sich dann auch, weil die Miesbacher Kohlen viel Schwefel enthalten, ein durch alle Öffnungen dringender, den Aufenthalt sogar im Innern der Häuser unerträglich machender, ja der Gesundheit gefährlicher pestilenzialischer Geruch. Der Rauch und Qualm, welcher aus den Kaminen aufsteigt, führt überdies ganz feine Bestandtheile von Asche und Ruß mit sich, welche in den Zimmern an den Tapeten sich ansetzen und Vorhänge und Möbel verunreinigen. Ganz unmöglich aber ist bei ungünstigem Wind der Aufenthalt in Hofräumen und Gärten. Wir verkennen nun zwar nicht, daß Nachbarn sich gegenseitig manches zu gut halten müssen. Auf der anderen Seite aber ist ebenso gewiß daran festzuhalten, daß alles, auch das Recht auf die Nachsicht anderer seine Grenzen haben muß. Hat der Eine das Recht auf freie Verfügung über sein Eigenthum, so hat der Andere das Recht, zu verlangen, daß er in der Benützung seines Eigenthums nicht gefährdet werde. Darf der Eine seine Thätigkeit für seine Zwecke ansprechen, so fordert der Andere mit Fug die Möglichkeit, neben demselben eine den Bedingungen des Wohlseins entsprechende Existenz führen zu können.

Auch unsere positiven Gesetze gewähren Hilfe gegen solche Belästigungen durch die Eigenthumsbenützung des Nachbars, welche durch die Immission körperlicher Stoffe, Rauch, Staub erfolgen, sofern dies in Folge einer außergewöhnlichen Benützungsweise, namentlich mittels besonderer Anstalten hiefür, geschieht. Sie gewähren ferner Schutz, wo die Eigenthums Benützung in einer Weise geschieht, daß die körperliche Integrität der Nachbarn gefährdet wird, insbesondere wo die Luft auf eine den Rücksichten der Wohlfahrtspolizei zuwider laufende Weise verunreinigt wird.

Alle diese Voraussetzungen treffen hier zu; und wir können uns mit allen Anderen, welche in der gleichen Lage sind, umsomehr beschweren, als die heutige Technik vollkommen sichere Mittel aufgefunden hat, welche die Belästigung der Nachbarn durch den Betrieb von Feuer-Einrichtungen verhindern, indem nämlich der Rauch vor dem Ausströmen verzehrt wird. Es ist bekannt, daß dieses Verfahren in England längst in Anwendung ist und daß dasselbe sich dort vollkommen bewährt hat, wenn es vielleicht auch unsern Bautechnikern noch nicht, wenigstens noch nicht hinlänglich bekannt ist. Wir denken aber, daß es jedenfalls der Königlichen Centralstelle für Handel und Gewerbe leicht sein sollte hier Rath zu schaffen.

Wir stellen daher den unterthänigen Antrag: ein Königliches Ministerium des Innern wolle gnädigst eine allgemeine Verfügung erlassen, durch welche Nachbarn gegen außergewöhnliche Belästigungen, wie die in Frage stehenden geschützt werden.

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