Da es mir im Reichstag diesmal nicht gelungen ist, zum Wort zu kommen, habe ich mit doppelter Freude diese Gelegenheit zur Darlegung meines sozial-politischen Standpunkts ergriffen. [ . . . ]
Aber die neue Gesellschaft steht in unversöhnlichem Widerspruch mit dem alten Staat. Im Feudal-, Polizei- und Militärstaat kann sie sich nicht entwickeln. Wer die neue Gesellschaft will, hat daher vor Allem auf Vernichtung des alten Staates hinzuwirken.
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Damit ist die Stellung der Sozialdemokratie zur »Neugestaltung Deutschlands« gegeben. Die »Tat« des Jahres 1866 ist für Deutschland, was für Frankreich der Staatsstreich des 2. Dezember 1851 war. Der Staatsstreich Bismarck’s, gleich dem Napoleon’s, richtete sich gegen die Demokratie. Nicht das Gewaltsame dieser Taten ist es, was sie uns verdammenswert macht – denn wie der Fürsten, so ist auch der Völker letztes Wort die Gewalt – sondern daß sie in Frankreich zu Gunsten einer Schar von verworfenen Abenteurern, in Deutschland zu Gunsten eines nicht mehr existenzberechtigten Standes, des Junkertums, begangen wurden.
Der sogenannte »preußische Verfassungskonflikt« war ein Versuch des Volks, voran der Bürgerklasse, durch parlamentarische Mittel die Staatsmacht zu erlangen. Das Jahr 1866 hat das parlamentarische Ringen zu einer Spiegelfechterei herabgewürdigt, den wahren Kampfplatz auf ein anderes Gebiet verlegt. Der norddeutsche »Reichstag« hat trotz des allgemeinen Stimmrechts absolut keine Macht, er hat keine beschließende, nur eine beratende Stimme, und kann, weil machtlos, von der Demokratie nicht als Schlachtfeld zur Gewinnung der Macht benutzt werden.
Ebenso wie die französische Demokratie dem Kaiserreich, hat die deutsche Demokratie dem Norddeutschen Bund, mit Allem was drum und dran hängt, negierend, feindlich gegenüber zu stehen. Tritt sie aus dieser negierenden Haltung heraus, so gibt sie nicht bloß ihr Prinzip und damit sich selbst auf, sondern verstößt auch gegen die einfachsten Regeln der Praxis.