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Überblick
Druckfassung

Überblick   |   1. Von der Teilung zur Einheit   |   2. Die Vereinigungskrise   |   3. Normalität und Identität   |   4. Deutschland in der Welt   |   5. Der Abbau des Reformstaus   |   6. Politik im vereinten Deutschland   |   7. Übergänge: Von der Bonner zur Berliner Republik

In diesem abschließenden Band der Edition „Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern“ soll die Entwicklung Deutschlands seit 1989 nachvollzogen werden. Viele der Herausforderungen, mit denen Deutschland konfrontiert ist, betreffen jedoch auch andere postindustrielle Staaten. Wie kann man den Risiken moderner Gesellschaften und dem Globalisierungsdruck begegnen? Wie kann der Wohlfahrtsstaat reformiert werden, ohne gesellschaftliche Polarisierungen und Verteilungskämpfe heraufzubeschwören? Wie kann die Integration Europas vorangebracht werden und welche Rolle hat Europa im Gefüge der Weltmächte? (6)

Für Deutschland haben die Jahre seit 1990 eine besondere Bedeutung, da die politischen Entwicklungen das eingespielte Gleichgewicht von Kontinuität und stetigem, aber in der Regel bedächtigem Wandel in Frage stellten. Nicht nur die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität der Vereinigung brachte Enttäuschungen mit sich. Globalisierung und Europäisierung erzwangen zusätzlich rapide Veränderungen, die viele Politiker und Bürger überforderten, da sie in ihrer Virulenz so nicht antizipiert worden waren und neue Lösungsansätze sowie Denk- und Verhaltensmuster voraussetzten. Parallel dazu hat die Zeit nach 1990 den internationalen Status und Spielraum Deutschlands sukzessive erweitert. Die Entwicklung zu einer Mittelmacht, deren Interessen nicht mehr nur auf Europa konzentriert sind, sondern zunehmend auch global definiert werden, ging im Vergleich zu den innenpolitischen Zerwürfnissen auf der Basis eines breiten Konsenses der politischen Akteure vor sich.

Die Bonner Republik (1949-1990) wurde sukzessive von der Berliner Republik abgelöst. Der Begriff der Berliner Republik entstand im Zusammenhang mit der Hauptstadtdebatte und stand zunächst symbolhaft für Befürchtungen, dass mit dem Umzug des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin auch eine Abkehr von der postnationalistisch orientierten „geglückten Demokratie“ der „alten“ Bundesrepublik vonstatten gehen könnte (7). Inzwischen wird der Ausdruck vor allem dazu benutzt, um festzustellen, dass mit der Wiedervereinigung (und dem Regierungsumzug nach Berlin) eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik stattgefunden hat.

In dieser Einführung werden die wichtigsten Diskussionsschwerpunkte der vergangenen Jahre thematisch gebündelt vorgestellt (8). Gemeinsam mit den Dokumenten wollen wir dem Leser einen Einblick in die maßgeblichen Entwicklungstendenzen der Innen-, Außen-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geben und deren teilweise kontroversen Charakter vermitteln. Debatten über Erfolg oder Misserfolg der Vereinigung, die Ursachen, Antworten und Wirkungen politischer und wirtschaftlicher Reformen oder die außenpolitische Rolle der Bundesrepublik sind oft ausgeprägt, da die persönliche Betroffenheit unmittelbar ist und die Gleichzeitigkeit von Ereignis und Bewertung notgedrungen längerfristige Perspektiven vernachlässigt. Einführung und Dokumententeil belegen die Bedeutung der deutschen Wiedervereinigung sowie den Übergangscharakter der vergangenen zwei Jahrzehnte.



(6) Paul Nolte, Riskante Moderne. Die Deutschen und der neue Kapitalismus (München, 2006); Ulrich Beck und Edgar Grande, Das kosmopolitische Europa. Gesellschaft und Politik in der Zweiten Moderne (Frankfurt am Main, 2004).
(7) Den Begriff der „geglückten Demokratie“ entnehmen wir Edgar Wolfrum, Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart (Stuttgart, 2006).
(8) Siehe auch Konrad H. Jarausch, „Anfänge der Berliner Republik (1990-2005)“, in Ulrich Hermann et al., Hg., Kleine Deutsche Geschichte (Stuttgart, 2006), S. 463-96.

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