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Anton von Werner, Die Eröffnung des Reichstages im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II. am 25. Juni 1888 (1893)

Wie bei Anton von Werners drei Fassungen der Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 hat dieses großflächige Gemälde – es misst 3,9 mal 6,4 Meter – einen interessanten Ursprung. Das Ereignis selbst wurde vom jungen Kaiser Wilhelm II. orchestriert, um zu verdeutlichen, dass die vor kurzem eingetretenen Todesfälle seines Großvaters, Kaiser Wilhelms I. (im März 1888), sowie seines Vaters, Kaiser Friedrichs III. (im Juni 1888), der Stabilität und Macht des Deutschen Reichs keinesfalls geschadet hatten. Wilhelm II. wird im roten Mantel des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler gezeigt. Die zweit- und drittwichtigsten Monarchen Deutschlands sind links neben dem Thron abgebildet: Der Prinzregent von Bayern und der König von Sachsen, ebenso wie die Oberbürgermeister der drei Hansestädte Lübeck, Hamburg und Bremen. Weitere Prinzen von königlichem Geblüt und Würdenträger sind im Vordergrund auf der rechten Seite des Thrones zu sehen. Die Mutter Wilhelms II., Kaiserin Victoria, hier in Trauerkleidung, steht hinter ihm, ebenso wie sein ältester Sohn, der Kronprinz Wilhelm. Auf der linken Seite der Leinwand haben sich zahlreiche Reichtagsabgeordnete versammelt, die ihrem neuen Monarchen unbedingt ihre Huldigung erweisen wollen. Bedeutsam ist jedoch die Abwesenheit der Sozialdemokraten und der Abgeordneten aus dem Elsass und aus Lothringen, die dem Ereignis unter Protest fernblieben.

Obwohl Werner 1888 eine Vorstudie für das Gemälde anfertigte, sollte er die endgültige Fassung erst 1893 vollenden. Die von Werner zwischen 1888 und 1893 durchgeführten Änderungen gegenüber der ursprünglichen Studie – vom Kaiser selbst erbeten – sind äußerst aufschlussreich. Dramatische Ereignisse hatten in dieser fünfjährigen Zeitspanne stattgefunden – das bedeutsamste darunter die Entlassung Bismarcks vom Kanzleramt durch Wilhelm II. im März 1890. In der Endfassung des Ölgemäldes rückte Werner den früheren Reichskanzler weiter weg von den Diplomaten und anderen Würdenträger auf der rechten Seite und näher an die Reichstagsabgeordneten links. Zudem interpretierte er Bismarck als deutlich vom Alter gebeugt. Im Gegensatz zu Werners Darstellung des 18. Januar 1871 war es nicht notwendig, die Farbe von Bismarcks weißer Kürassieruniform zu ändern. Einige Jahre später, als ein schwarz-weißer Holzschnitt dieser riesigen Leinwand von A. von Baudouin ausgeführt und in der Zeitschrift Moderne Kunst (1896) veröffentlicht wurde, erwies sich eine Absicht des Künstlers als offenkundig: Ein dreiteiliges Faltblatt war erforderlich, um die Politiker und Höflinge so erkennbar wie möglich zu machen, und eine dazugehörige Bestimmungsliste wurde zur Verfügung gestellt.

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Anton von Werner, <i>Die Eröffnung des Reichstages im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Wilhelm II. am 25. Juni 1888</i> (1893)

© Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
Original: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloß Sanssouci, Potsdam.