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Stellungnahme der Eherechtskommission der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dem Entwurf eines Familienrechtsgesetzes (Dezember 1952)

Die evangelische und die katholische Kirche beteiligen sich in den frühen 1950er Jahren in der Bundesrepublik intensiv an der Debatte um die Reform der ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Evangelische Kirche betrachtet die geplante Aufhebung des Entscheidungsrechts des Ehemanns im Konfliktfall mit Skepsis, da sich daraus für sie die Gefahr einer Intervention des Staates in die Ehe ergibt, wenn die Partner sich nicht einigen können, lehnt sie aber nicht völlig ab. Dagegen wird die Autorität des Vaters in Erziehungsfragen entschieden verteidigt, da sie sich aus der väterlichen Autorität Gottes und aus der Verantwortung der Männer vor Gott ableite und nicht in Frage gestellt werden dürfe.

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Die Evangelische Kirche in Deutschland hat nach Erscheinen der Denkschrift des Bundesjustizministeriums über ein Familienrechtsgesetz eine Kommission von Juristen, Theologen und Vertreterinnen der evangelischen Frauenverbände berufen, die unter dem Vorsitz von Professor D. Dr. Schumann fortlaufend in der Evangelischen Forschungs-Akademie Christophorus-Stift in Hemer/Westf. getagt hat. Auf Grund der Arbeiten der Kommission hat der Rat der Kirche dem Bundesjustizminister seine Stellungnahme zu den Hauptpunkten der Denkschriften in einem ausführlichen Schreiben zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus hat sich die Kommission nach Veröffentlichung des Regierungsentwurfs zu weiteren gesetzgeberischen Einzelfragen gutachtlich geäußert. Nachdem jetzt der Regierungsentwurf im ersten Durchgang den Bundesrat passiert hat und zur Beschlußfassung dem Bundestag vorliegt, sieht sich die Kommission veranlaßt, die Ergebnisse ihrer Erwägungen zusammengefaßt vorzulegen.

I. Grundsätzliches
Die evangelische Kirche gehört nicht zu den gesetzgebenden Instanzen und trägt deshalb keine formale Mitverantwortung für die kommende Änderung des Ehe- und Familienrechts. Sie hält es deshalb auch im allgemeinen nicht für ihre Aufgabe, formulierte Vorschläge für diese zu machen. Von einer sachlichen Mitverantwortung dagegen kann sich die evangelische Kirche nicht dispensieren, da aus dem Wesen der Sache heraus zu allen Zeiten auf dem Boden der Ehe sich staatliche und kirchliche Belange und Notwendigkeiten begegnet sind. Dabei handelt es sich um zweierlei: Die Kirche wird einmal darauf achten müssen, daß nicht etwa bei Änderungen des Ehe- und Familienrechts der Raum für eine christliche Eheführung durch staatliches Gesetz eingeengt werde.

Sie wird zum anderen darum besorgt sein müssen, daß das Wesensgefüge der Ehe überhaupt, in dem sie eine bewahrende Ordnung Gottes erkennt, nicht etwa durch veränderte Rechtsetzung gefährdet werde. Gerade darauf wird um so mehr zu achten sein, als in ethischer und soziologischer Hinsicht ein weitgehender Auflösungsprozeß von Ehe und Familie bereits seit längerer Zeit im Gange ist. Es mag zweifelhaft sein, ob solcher Auflösung mit Mitteln der Gesetzgebung und der Rechtsprechung wirksam begegnet werden kann; man kann aber nicht zweifeln, daß diese Auflösung unter Umständen durch eine Änderung der Gesetzgebung und der ihr folgenden Rechtsprechung, ob auch ungewollt, beschleunigt werden könnte.

Die Neuordnung des Familienrechts drückt sich notwendigerweise weitgehend in der Neuregelung der subjektiven Rechte von Mann und Frau aus. Die Kirche ist hauptsächlich daran interessiert, daß bei der auch von ihr als notwendig anerkannten Neuordnung solcher gegenseitigen subjektiven Rechte die heute gefährdete Institution von Ehe und Familie erhalten und wenn möglich gestärkt wird. Die Ehe ist eine auf der Grundlage der geschlechtlichen Differenziertheit zwischen den Ehegatten geschlossene Gemeinschaft, in die sie eintreten, ohne über sie zu verfügen. Mann und Frau gehen in sie ein mit dem Risiko ihrer ganzen Person und geloben sich gegenseitig umfassende Liebe und Treue. Deshalb wird die Ehe auf Ausschließlichkeit und grundsätzliche Unlösbarkeit hin geschlossen. Eine Verbindung, die von vorneherein auf ihre Auflösbarkeit hin geschlossen würde, wäre keine Ehe. Ehe und Familie sind die ursprünglichsten menschlichen Gemeinschaften. Sie sind von dem Geheimnis des Ursprungs umgeben, das für den Christen auf Jesus Christus hinweist, das aber auch vom Nichtchristen geachtet werden muß, wenn der Zerstörung des Lebens gewehrt werden soll. Auch die staatliche Gesetzgebung verfügt nicht über dies Wesensgefüge, sondern setzt es voraus.

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