GHDI logo


Eine mutige Frau stiehlt die königliche Krone – Helene Kottannerin (ca. 1400-nach 1458)

Helene Kottannerin (ca. 1400-nach 1458) war vermutlich die erste Frau, die einen auf Deutsch geschriebenen, erhaltenen, autobiographischen Bericht verfasste. Sie wurde in Ödenburg (ungarisch: Sopron) als Mitglied des niederen Adels geboren. 1431 heiratete sie Johann Kottanner aus Wien. Man vermutet, dass sie sich im Jahr 1436 am Hof Alberts II. von Habsburg, des römischen Königs (und Wahlkaisers) (reg. 1438-39) und Königs von Ungarn (reg. 1437-39), aufhielt. Helene Kottannerin befand sich dort im Dienst der Königin Elisabeth (ca. 1409-42). Im Jahr 1439 zog Albert mit seinem Hofstaat nach Ungarn, wo er nach sechs Monaten am 27. Oktober 1439 verstarb. Elisabeth war zu diesem Zeitpunkt im fünften Monat schwanger, weshalb sie sich weigerte, auf Drängen einflussreicher Adliger den sechzehnjährigen polnischen König Wladislaus III (1424-44) zu heiraten, da sie ihre Hoffnungen auf ihr ungeborenes Kind setzte, welches ihrem Leibarzt zufolge ein Junge sein sollte. Um dessen Recht auf die Thronfolge zu sichern, musste der Sohn der Königin sobald wie möglich gekrönt werden. Sie beauftragte daher Helene Kottannerin, in die königliche Festung Plintenburg (ungarisch: Visegrád) einzubrechen und die schwer bewachte Stephanskrone zu stehlen. Helene willigte ein und führte am 20. Februar 1440 gemeinsam mit einem ungarischen Adligen ihren verwegenen Diebstahl aus, der im ersten Textauszug unten beschrieben wird. Am folgenden Tag machte sich Helene auf eine beschwerliche Winterreise zu Elisabeths Schloss Kormon, wo sie die Krone an die Königin auslieferte. Nur wenige Stunden nach ihrer Ankunft wurde der Sohn der Königin, der als Ladislaus (ungarisch: László) Postumus bekannt wurde, geboren.

Der zweite Textauszug beschreibt das zweite Schlüsselereignis in der Erzählung Helene Kottannerins. Elisabeth und Helene machen sich mit dem zukünftigen König und der Königskrone im Gepäck nach Stuhlweissenburg (ungarisch: Székesfehérvár), dem Krönungsort der ungarischen Könige, auf. Am 15. Mai 1440, dem Pfingstfeiertag, hob dort der Erzbischof von Gran den drei Monate alten Ladislaus aus seiner Wiege und krönte ihn zum König. Somit sicherte Elisabeth mithilfe von Helene die Thronfolge für ihren Sohn, der, obwohl er als König anerkannt wurde, letztlich bis zu seinem Tod 1457 nur vier Jahre lang regierte.

Druckfassung     Dokumenten-Liste      nächstes Dokument

Seite 1 von 8


[ . . . ]

Do nü die recht zeit kam, an der got der almechtig seine wunderwerch würchen wolt, da schikchat vns got ainen man, Der sich willigat her aus gewẏnnen die Heiligen kron, vnd der was ain Vnger vnd was genant der . . . , vnd der gieng treulich, weislich vnd mëndlich mit den sachen vmb, vnd richttaten zü, was wir bedorften zu den sachen, Vnd nomen ettliche Slos vnd zwo feil. Der mit mir wagen wolt sein leben, der legt an ainen swarczen samedeinen pett rokch vnd zwen vilczschuech, vnd in ẏeden schuech stekchat er ain feil, vnd die Slos nam er vnder den rokch. Vnd ich nam meiner gnedigen frawn klains Sigel, vnd ich het dy slüssel zu der vordern tüer, der warn dreẏ, wann bey dem angel was auch ain keten vnd ain nërib, do het wir auch ain slos angeslagen, ee daz wir naher zugen, auf den sin, daz nÿmant anders ain slos da hin möcht geslahen, vnd do wïr nu berait wuerden, Do sandt meiner fraun gnad ainen poten ains vor an hin auf die Plintpurg, vnd tat dem purkgrafen vnd hern Francz von Pöker vnd Weitvilassla, die dẏe Junkchfraun die weil Inn heten, zu wissen, Daz si sich dar nach solten richten, wann der wagen këm, daz Si berait wëren zu faren gen Gumaren zu ïren gnaden, wann Si hiet müt her auf gen Prespurgk, vnd das het man allem Iërm Hofgesind angesagt. Do nü der wagen berait was, den man nach den Junkchfraun solt schikchen, vnd der Sliten, darauf ich faren solt, Vnd auch der mit mïr stünd in den sargen, Da schuef man vns zwen Vngrisch herren zue, die mit mir nach den Junkchfraun solten reiten. Wir fuern nü dahin.

Do kamen dem purkgrafen die mër, wie daz ich këm nach den Junkchfrawn. Des ward in vnd ander meiner frawn Hofgesind vast wunderen, daz man mich als verr aus liesz von meiner Jungen frawn, Wann Si noch Jung was, Vnd lies mich nicht gern von ïr, das westen Si all wol. Nu war der purkchgraue ain wenig krankch vnd het willen gehabt, er wolt sich zu der tür gelegt haben, da der erst ingank was zu der Heiligen kron. Da ward sich sein krankchait meren, als dann got haben wolt, vnd er torst dẏ knecht nicht da Hin legen, dar umb, daz es in dem frawnczimer was. Vnd legat ein leinein tüehel vmb das slos, das wïr bei dem angel heten angeslagen, vnd ain petschad dar auf.

Do wir nü komen auf die Plintenpurg, die Junkchfrawn waren froleich, daz Sy zu meiner frawn gnaden solten faren, vnd richtaten sich zue vnd liessen ain truhen machen zu ïrm gwant. Da muest man lang mit vmb gen vnd klokchten vncz in die achtet [sic!] stund. Vnd der mit mïr was, der kam auch in das frawn Zẏmer vnd traib sein kurczweil mit Junkchfraun. Nü lag ain wenig holcz vor dem ofen, da mit man In solt haiczen. Da parig er die feil vnder. Nu heten die knecht, die den Junkchfrawn dienten, Das ersehen vnder dem holcz vnd wuerden mit einander rawnen, Das erhort ich vnd sagt im das zu hant. Do erschrakcht er als hart, daz er die varib verkerat vnd nam sẏ da wider naher vnd parig sie anderswohin.

Vnd sprach zu mïr: „fraw, besecht, daz wïr Liecht haben”. Vnd ich pat ain alte frawn, daz si mïr ettlich kerczen gëb, Wenn ich vil zu petten hiet, wann es was an ainem Sambstag [20. Feber 1440] snachts, vnd was der nagst Sambstag nach aller mann faschang tag. Vnd nam die kerczen vnd parig die am weg. Vnd do nü die Junkchfraun vnd ẏeder man slaffen was, Do belaib ich in der klain stuben vnd ain alte fraw, Die ich mit mïr gefürt het, die kund ain wart nicht Deẅtsch vnd west auch vmb die sachen nicht, vnd het auch des Hawss kuntschaft nicht, vnd lag da vnd slief vast.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite