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Resolution des deutschen Katholikentags zu Aachen (1862)

Den veränderten religiösen Mehrheitsverhältnissen, die bei einem preußisch-protestantisch dominierten Nationalstaat unter Ausschluss der Katholiken Österreichs verschoben würden, trug die sorgenvolle Erklärung des Katholikentags vom 10. September 1862 Rechnung. Bereits 1848 in Mainz etabliert, war der Katholikentag das Forum für die öffentliche Erörterung der Anliegen aller deutschen Katholiken.

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1) Die katholische Kirche verpflichtet Niemanden zu irgend einem politischen Partei-Standpunkte; sie verträgt sich mit jeder Staatsform und jedem politischen System, welches nicht in Widerspruch steht mit den Geboten Gottes und den Grundsätzen der Gerechtigkeit;

2) die katholische Kirche ist keine Stütze des Despotismus und keine Feindin politischer Freiheit und Selbstständigkeit. Wie in allen Jahrhunderten, verwirft sie auch heute jede Willkürherrschaft, mag sie von Fürsten, von Parlamenten oder Parteien geübt werden;

3) die Katholiken sind nicht Gegner des politischen Fortschrittes; sie begrüßen alle politischen Reformen, welche dem Wohle der Völker dienen; aber sie verwerfen gewissenhaft allen Rechtsbruch und verabscheuen jede Revolution, mag sie sich auf allgemeines Stimmrecht oder auf Nationalitäts-Princip oder auf das sog. Princip der vollendeten Thatsachen stützen;

4) die katholische Versammlung erneuert den im vorigen Jahre zu München erhobenen Protest gegen die Beraubung des heiligen Stuhles. Sie fordert für den heiligen Vater den Vollbesitz seiner weltlichen Herrschaft zurück, wie die göttliche Vorsehung sie ihm gegeben und ihm kraft des Völkerrechts und heiliger Verträge gebührt, und bekennt sich feierlich zu den Grundsätzen, welche die in Rom versammelten Bischöfe in ihrer Adresse an Pius IX. ausgesprochen haben;

5) die Versammlung sieht in der Existenz des sogenannten Königreiches Italien einen die ganze europäische Ordnung bedrohenden Sieg der Revolution; sie beklagt daher auf's tiefste die Anerkennung, welche dasselbe theilweise erlangt hat, und dankt den Fürsten und allen Männern, welche sich dieser Anerkennung widersetzt haben;

6) durchdrungen von der innigsten Liebe zum deutschen Vaterlande, protestiren die hier versammelten Katholiken gegen die Verleumdung, daß sie, die man mit dem Schlagwort „Ultramontane" verdächtigt, nicht gute Patrioten seien. Sie rufen die große deutsche Vergangenheit von Karl dem Großen an zum Zeugniß dafür auf, daß die Ergebenheit gegen den heiligen Stuhl zu keiner Zeit die Größe und Herrlichkeit des Vaterlandes beeinträchtigt hat;

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