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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Auszüge aus Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1817)

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§. 3.
2) der Form nach ist er derselben Verlegenheit ausgesetzt, weil er, indem angefangen wird, ein unmittelbarer, aber seiner Natur nach von dieser Art ist, daß er sich als Vermitteltes darstellen, durch den Begriff als nothwendig erkannt werden soll, und zugleich die Erkenntnißweise und Methode nicht vorausgesetzt werden kann, da deren Betrachtung innerhalb der Philosophie selbst fällt.

Insofern es um nichts zu thun wäre, als der Vorstellung in ihr selbst den ganz unbestimmten Gegenstand der Philosophie nachzuweisen, so könnte man zu der gewöhnlichen Appellation seine Zuflucht nehmen, daß der Mensch, der mit sinnlichem Wahrnehmen und Begierde anfängt, sich bald darüber hinausgetrieben fühlt, zum Gefühl und zur Ahndung eines Höhern als er ist, eines unendlichen Seyns und unendlichen Willens, – an das allgemeine Interesse, das die Fragen haben: was ist die Seele, was ist die Welt, was ist Gott? – was kann ich wissen, nach was soll ich handeln, was kann ich hoffen u.s.f. Näher könnte an die Religion und ihren Gegenstand verwiesen werden. Abgesehen davon, daß solche Fragen und solche Gegenstände selbst sogleich mit Zweifel und Negation empfangen werden können, so enthält schon zum Theil das unmittelbare Bewußtseyn, noch mehr die Religion nach ihrer Weise, die Auflösung jener Fragen und eine Lehre über jene Gegenstände. Aber das Eigenthümliche, wodurch sie Inhalt der Philosophie sind, ist damit nicht ausgedrückt. – Deßwegen kann man sich auch schon über den Gegenstand, nicht auf die Autorität und allgemeine Uebereinstimmung berufen, was unter Philosophie verstanden werde. Schon die im §. gemachte Forderung der Erkenntniß der Nothwendigkeit durch den Begriff, wird nicht zugestanden, indem es Viele gibt, welche meynen, sie haben Philosophie, ungeachtet sie gerade von der Erkenntniß der Nothwendigkeit abstrahiren, und ihre Gegenstände vielmehr aus dem unmittelbaren Gefühl und Anschauen nehmen, und solche Unmittelbarkeit des Wahrnehmens sogar Vernunft nennen. Wie denn in diesem Sinne Newton und die Engländer auch die Experimentalphysik Philosophie, daher auch Electrisirmaschinen, magnetischen Apparat, Luftpumpen u.s.f. philosophische Instrumente nennen, da doch wohl nicht eine Zusammensetzung von Holz, Eisen u.s.f. sondern allein das Denken das Instrument der Philosophie genannt werden könnte.*)

§. 4.
Weil der Gegenstand der Philosophie nicht ein unmittelbarer ist, so kann sein Begriff und der Begriff der Philosophie selbst, nur innerhalb ihrer gefaßt werden was von demselben so wie von ihr hier eigentlich vor ihr selbst gesagt wird, ist daher etwas anticipirtes, für sich noch unbegründetes, jedoch darum auch unbestreitbares und mit der Absicht zu nehmen, eine unbestimmte, nur vorläufige historische Bekanntschaft zu verschaffen.



* Auch das gegenwärtig von Thomson herausgegebene Journal hat den Titel: Annale der Philosophie oder Magazin der Chemie, Mineralogie, Mechanik, Naturhistorie, Landwirthschaft und Künste. – Man kann sich hieraus von selbst vorstellen, wie die Materien beschaffen sind, die hier philosophische heißen.

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