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5. Politik I: Reichsgründung
Druckfassung

Überblick: Reichsgründung: Bismarcks Deutschland 1866-1890   |   1. Demographische und ökonomische Entwicklung   |   2. Gesellschaft   |   3. Kultur   |   4. Religion, Bildung, Sozialwesen   |   5. Politik I: Reichsgründung   |   6. Militär und internationale Beziehungen   |   7. Politik II: Parteien und politische Mobilisierung

Die Einigungskriege. Während militärische Angelegenheiten und internationale Beziehungen nach 1871 im nächsten Kapitel behandelt werden, unterstreicht das vorliegende die gegenseitige Durchdringung der Innen- und Außenpolitik bei der Schaffung der deutschen Einheit von 1866 bis 1871. In diesen Jahren verhalfen drei erfolgreiche Kriege Bismarck, König Wilhelm I. und der preußischen Armee zu enormem Ansehen (B1, B3, B12, B13, B20, B30, B31, B32). Die ersten Dokumente in diesem Abschnitt spiegeln dennoch die ungewisse und umstrittene Beschaffenheit der politischen, diplomatischen und konstitutionellen Entwicklungen wider, die schließlich in der Proklamation des Deutschen Reichs im Januar 1871 mündeten. Indem sie diese Abläufe aus Sicht ausländischer Diplomaten, des Durchschnittsbürgers und von Beobachtern präsentieren, die sich weit weg von Berlin aufhielten (D1, D2, D3), zeigen sie, dass nahezu jeder Aspekt der „Reichsgewalt“ ausgehandelt werden musste. Man liest von den Abmachungen, die Bismarck mit unzähligen Einzelpersonen und Gruppen traf: mit seinem eigenen König und mit Deutschlands Bundesfürsten, die entschlossen waren, in jeder Phase des Einigungsprozesses ihre Traditionen und ihre Unabhängigkeit so umfassend wie möglich zu erhalten (D8, D9, D10); mit den Liberalen in Preußen, die dazu gezwungen waren, die Möglichkeit der gemeinsamen Verfolgung des Doppelzieles von Einheit und Freiheit zu überdenken (B11); mit Helmuth von Moltke, dem Chef des preußischen Generalstabs, der die militärischen Triumphe auf dem Schlachtfeld als Sprungbrett für innenpolitischen Einfluss benutzen wollte (D7, B25); mit ausländischen Mächten, darunter Frankreich, Großbritannien und Russland, die sich besorgt zeigten, dass Preußen nun eine Bedrohung für den internationalen Frieden darstelle (B14, B15, B16); und mit der wachsenden Macht der Presse, die Bismarck eben noch als den meistgehassten Mann in Deutschland charakterisieren konnte und tags darauf als den populärsten (B2).

Die vorliegenden Dokumente und Bilder gewähren auch einen Blick auf die Diskussionen hinter den Kulissen, denen zwei der fesselndsten Momente im Einigungsprozess vorangingen. Der erste war Bismarcks Entscheidung, am 13. Juli 1870 die Emser Depesche zu redigieren. Das Telegramm, hier in seiner ursprünglichen und abgeänderten Fassung gezeigt, ermöglichte es Bismarck, die Franzosen zu einer Kriegserklärung an Preußen aufzustacheln (D4, D5, B17, B18). Das zweite Ereignis war der Hochruf auf den neuen Kaiser im Spiegelsaal des Versailler Schlosses am 18. Januar 1871 – eine berühmte Szene, die Anton von Werner in drei Fassungen malte, jeweils mit unterschiedlicher Perspektive und Absicht (B27, B28, B29). Bilder aus französischen und deutschen Satirezeitschriften helfen bei der Einschätzung des Widerstands gegen die preußische Hegemonie in Mitteleuropa; sie reichen von bildlichen Darstellungen „Wilhelms des Schlächters“ bis zu unzähligen Variationen des preußischen Adlers und der Pickelhaube (B33, B34). Zeitgenössische Zeichnungen und Fotografien stellen auch das gegenteilige Gefühl dar, verkörpert in preußischen Siegesparaden durch die Straßen von Paris und Berlin oder sentimentalen Gemälden, die von der Geschichte des „zwangsläufigen“ Aufstiegs Preußens erzählen (B30, B31, B32, B36). Doch sie lassen einen die Toten und Verwundeten nicht vergessen, deren Aufopferung jene Siege erst ermöglichte.


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