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II. Mobilisierung der Heimatfront
Druckfassung

Überblick: Das Wilhelminische Deutschland 1890-1914   |   I. Wirtschaftliche Entwicklung   |   II. Gesellschaft und Kultur   |   III. "Modernes Leben": Diagnosen, Entwürfe, Alternativen   |   IV. Staat und Gesellschaft   |   V. Politik   |   VI. Außenpolitik   |   Deutschland im Krieg 1914-1918   |   I. Die Kämpfe   |   II. Mobilisierung der Heimatfront   |   III. Entbehrungen und Unruhen an der Heimatfront   |   IV. Der Weg zum Kriegsende

Die Reaktionen auf den Kriegsausbruch waren weit vielschichtiger und widersprüchlicher als die berühmten, von Entschlusskraft und Begeisterung zeugenden Szenen vermittelten, welche bald in Wort und Bild bejubelt wurden (Dok. 1, 2, 3, 4, 5). Die historische Forschung hat gezeigt, dass viele dieser Darstellungen hauptsächlich die Erfahrungen einzelner Bevölkerungsgruppen wiedergaben und dass sie rückblickend mit starker ideologischer Bedeutung aufgeladen wurden. Jedenfalls verflüchtigte sich die Kriegsbegeisterung überall, als die gewaltigen Strapazen zur Aufbringung der materiellen und moralischen Kraftreserven begannen. Das Militär, das bereits vor dem Krieg die deutsche Gesellschaft und Politik tief durchdrungen hatte, wurde nun zum Hauptakteur der Mobilisierung. Armeeangehörige genossen quasi-diktatorische Machtbefugnisse auf allen Regierungsebenen. Diese Entwicklung erreichte ihren Höhepunkt während der letzten Kriegsjahre in der Etablierung einer Art Militärdiktatur, als Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff das Oberkommando des Heeres übernahmen (Dok. 6, 7, 8). Die Armeeführung war die treibende Kraft, welche die deutsche Industrie auf die Kriegsproduktion umstellte und die Arbeitskräfte auf die Rüstungsindustrie konzentrierte (Dok. 9, 10, 11, 12, 13). Gleichzeitig erforderte die Mobilisierung des Kampfgeistes, also der Versuch, die Unterstützung oder gar Begeisterung weiter Bevölkerungskreise für den immer länger andauernden Krieg zu sichern, das systematische Eingreifen militärischer Stellen, welche den so genannten „vaterländischen Unterricht“ sowohl überwachen als auch aktiv vorantreiben sollten (Dok. 14, 15, 16, 17, 18, 19). Die militärische Führungsspitze konnte sich schließlich auf die Schützenhilfe führender deutscher Gelehrter und Intellektueller berufen, welche die Frage nach dem Sinn des Krieges, den die unterschiedlichsten Gruppierungen der deutschen Bevölkerung führten, mit jeweils eigenen visionären Ideenkonstrukten beantworteten (Dok. 20, 21, 22, 23, 24, 25). Die Spannungen oder gar Widersprüche zwischen diesen Deutungsangeboten waren bezeichnend für die wachsenden Schwierigkeiten, das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit der Kriegsanstrengungen zu bewahren.


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