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V. Politik
Druckfassung

Überblick: Das Wilhelminische Deutschland 1890-1914   |   I. Wirtschaftliche Entwicklung   |   II. Gesellschaft und Kultur   |   III. "Modernes Leben": Diagnosen, Entwürfe, Alternativen   |   IV. Staat und Gesellschaft   |   V. Politik   |   VI. Außenpolitik   |   Deutschland im Krieg 1914-1918   |   I. Die Kämpfe   |   II. Mobilisierung der Heimatfront   |   III. Entbehrungen und Unruhen an der Heimatfront   |   IV. Der Weg zum Kriegsende

Die politischen Abläufe veränderten sich während der wilhelminischen Ära ebenfalls entscheidend. Der Kaiser selbst wurde rasch zum Symbol für die fieberhafte Hast, welche das politische Handeln neuerdings bestimmte, und für die elementaren Konflikte, die das Land spalteten (Dok. 1, 2, 3, 4, 5, 6). Sein forsches Einschreiten in politische Angelegenheiten zeugte von der Entschlossenheit, seine autokratischen Machtbefugnisse zu bewahren oder gar auf Kosten des demokratischen nationalen Parlaments auszudehnen, selbst als gesellschaftliche Gruppierungen – Landwirte, Arbeitgeber, Katholiken, Arbeiter und ethnische Minderheiten – in der Verteidigung eigener Interessen zahlreiche Anhänger zu mobilisieren begannen (Dok. 7, 8, 9, 17, 18, 19, 20). Der kraftvollste Ausdruck dieser Sammelbewegungen, von einigen Historikern als Geburt der deutschen Politik der Massen bezeichnet, war der phänomenale Erfolg der sozialistischen Arbeiterbewegung, deren politischer Arm, die Sozialdemokratische Partei, 1912 die stärkste Fraktion im Reichstag stellte. Es handelte sich um eine marxistische Partei, welche 1891 die gesellschaftliche Revolution in ihr Programm eingeschrieben hatte (Dok. 12, 13). Aus den internen Debatten zwischen „Revisionisten“ und „Radikalen“ ist zu schließen, dass sich die Partei diesem Ziel um 1912 mit deutlich gemäßigter Hingabe widmete, dennoch jagte das Gespenst des Sozialismus der Regierung und anderen politischen Organisationen tiefe Angst ein (Dok. 14, 15, 16). Letztere versuchten, dieser Herausforderung zu begegnen, indem sie die vermeintlich einenden Symbole der deutschen Nation ihrerseits zu Mobilisierungszwecken einsetzten. Dies gelang am erfolgreichsten mit der auf Zuspruch stoßenden Kampagne für die deutsche Kriegsflotte, die Alfred von Tirpitz vom deutschen Reichsmarineamt in Berlin aus dirigierte (Dok. 10, 11). Tirpitz konnte die von ihm aufgebotenen Kräfte jedoch nicht kontrollieren, ein deutliches Warnsignal für die Gefährlichkeit jener Spielart des Nationalismus, welche ihren radikalsten Ausdruck im Alldeutschen Verband fand (Dok. 21, 22, 23).


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