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10. Die Kultur der Eliten und des Volkes
Druckfassung

1. Staat und Regierung   |   1.A. Staatenbund oder Nationalstaat?   |   1.B. Autoritäre Herrschaft oder Verfassungsstaat?   |   1.C. Emanzipation der Juden   |   2. Parteien und Organisationen   |   3. Militär und Krieg   |   4. Wirtschaft und Arbeit   |   5. Natur und Umwelt   |   6. Geschlecht, Familie, und Generationen   |   7. Regionen, Städte, Landschaften   |   8. Religion   |   9. Literatur, Kunst, Musik   |   10. Die Kultur der Eliten und des Volkes   |   11. Wissenschaft und Bildung

Die Brüder Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) waren Sprachwissenschaftler und Volkskundler, die ihr Leben der Sammlung und Erhaltung der Volkskultur widmeten. Zu ihren Werken, die sie entweder allein oder gemeinsam verfassten, gehörten Sammlungen von Sprichwörtern und Sagen sowie erste Arbeiten zu einem großen, mehrbändigen Wörterbuch der deutschen Sprache, das Jahrzehnte später von anderen Gelehrten beendet wurde. Am bekanntesten sind die Brüder Grimm natürlich wegen ihrer Märchensammlung. Das erste der hier angeführten Dokumente ist die Einleitung zur zweiten Auflage ihrer Sammlung, die 1819 veröffentlicht wurde. In dieser Einleitung beschreiben die Brüder Grimm die Eigenheiten der Volkskultur und unterscheiden diese deutlich von derjenigen der Elite sowie der literarischen und der gelehrten Kultur. Die Volkskultur ging danach auf Traditionen zurück, die über Jahrhunderte hinweg weitgehend unverändert geblieben waren, und bot somit tatsächlich einen Schlüssel zum ursprünglichen Charakter einer Nation. Sie wurde mündlich überliefert durch die einfachen, fast kindlichen gewöhnlichen Menschen, insbesondere durch die ländliche Bevölkerung. Durch den Fortschritt der Bildung, des städtischen Lebens und der Hochkultur – einer verschriftlichten, vielschichtigen, sich verändernden und von den gebildeten Gesellschaftsschichten getragenen Kultur – geriet die Volkskultur in Gefahr, vergessen zu werden. Die Aufgabe von kritischen Gelehrten wie den Brüdern Grimm bestand jedoch weder darin, die Volkskultur zu kritisieren, noch darin, sie genauer zu untersuchen (einige der Geschichten, die sie als authentische deutsche Volksmärchen beschrieben, stammten in Wahrheit von französischen Autoren des 17. Jahrhunderts), sondern darin, sie zusammenzutragen, vor dem Vergessen zu bewahren und zu feiern – ähnlich wie sich Romantiker für die Natur und das Mittelalter begeistert hatten. Die Brüder Grimm unterschieden also deutlich zwischen Hoch- und Volkskultur, der sie jeweils eigene Charakteristika und eigenen Wert zuschrieben.

In dem hier vorliegenden Auszug aus seinem 1846 erschienenen Buch über Berlin beschreibt Ernst Dronke das Volkstheater und das Theater der Eliten. Er kam zu dem Schluß, dass sich beide nur allzu sehr ähnelten, und zeigte sich sehr enttäuscht sowohl von dieser Ähnlichkeit als auch von der mangelnden kulturellen und künstlerischen Qualität des Theaters der Elite, die dieses seiner Meinung nach eigentlich zu erbringen hätte.

Der Volkskundler Wilhelm Heinrich Riehl äußerte in seinem 1851 erschienen Buch Die bürgerliche Gesellschaft Zweifel, ob gebildete Autoren aus der Mittelschicht überhaupt genug über bäuerliches Leben und bäuerliche Kultur wüssten, um realistische Literatur darüber zu verfassen.

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