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9. Literatur, Kunst, Musik
Druckfassung

1. Staat und Regierung   |   1.A. Staatenbund oder Nationalstaat?   |   1.B. Autoritäre Herrschaft oder Verfassungsstaat?   |   1.C. Emanzipation der Juden   |   2. Parteien und Organisationen   |   3. Militär und Krieg   |   4. Wirtschaft und Arbeit   |   5. Natur und Umwelt   |   6. Geschlecht, Familie, und Generationen   |   7. Regionen, Städte, Landschaften   |   8. Religion   |   9. Literatur, Kunst, Musik   |   10. Die Kultur der Eliten und des Volkes   |   11. Wissenschaft und Bildung

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war in Mitteleuropa durch zwei kulturelle Hauptströmungen gekennzeichnet: Klassik und Romantik. Die Klassik betonte in der Kunst Eleganz, Ausgewogenheit und formvollendetes Handwerk; ihre Anhänger waren kosmopolitisch und suchten sich ihre kulturellen Vorbilder in der klassischen Antike, insbesondere im alten Griechenland. Die Romantik betonte hingegen Leidenschaften, Sehnsucht, das Unvollendete und Unvollständige; ihre Protagonisten waren oftmals nationalistisch eingestellt und fanden ihre kulturellen Vorbilder vor allem in der Gotik des Mittelalters.

Der wichtigste Befürworter und Vertreter der Klassik im Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts war der Dichter, Dramatiker und Romanschriftsteller Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). In seinen letzten Lebensjahren führte Goethe mehrere Gespräche mit einem jungen Protegé, Johann Peter Eckermann, die dieser später niederschrieb und nach Goethes Tod veröffentlichte. Die ersten Quellenauszüge in diesem Kapitel stammen aus den Gesprächen mit Eckermann, in denen Goethe den Geltungsanspruch seiner ästhetischen Grundsätze betont und die konkurrierenden Vorstellungen der Romantiker verwirft.

Der Schriftsteller und Literaturkritiker Friedrich Schlegel (1772-1829) formulierte die Ideale der Romantik am klarsten und nachdrücklichsten. Hier werden Auszüge aus dreien seiner Werke wiedergegeben. Der erste sind die sogenannten Athenäum-Fragmente von 1798, in dem Schlegel den Begriff der romantischen Dichtung entwickelt und diese mit Begriffen wie Unvollkommenheit und Sehnsucht nach dem Unendlichen umschreibt. Anschließend folgen Auszüge aus zwei Werken aus den Jahren 1803-1804: Grundzüge der Gotischen Architektur und Aufforderung an die Maler der jetztigen Zeit, in denen Schlegel die beiden Hauptquellen der romantischen Sehnsucht nach dem Unbestimmten und dem Unendlichen benennt: die mittelalterliche Kunst der Gotik und wilde, unverfälschte Natur.

Es ist wichtig festzuhalten, dass Romantik und Klassik weitverbreitete Kulturstile waren, deren Einfluss auf das Leben der Menschen weit über das Künstlerische im engeren Sinn hinausreichte, wie der folgende Quellenauszug zeigt. Er enthält den Beileidsbrief des österreichischen Kanzlers, Clemens Fürst von Metternich, an den neuen König von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., anlässlich des Todes seines Vaters, des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., sowie das Antwortschreiben Friedrich Wilhelms IV. Metternich war ein erklärter Anhänger der Klassik, während Friedrich Wilhelm IV. bekannt war für seine Neigung zur Romantik. Der Gegensatz zwischen beiden Schreibstilen ist aufschlussreich.

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